Was bringen Teambuilding-Aktivitäten?
Artikel erschienen im Career Starter, 18. Ausgabe 2014.

Was bringen Teambuilding-Aktivitäten?

Von Frédéric Kohler, Leiter des Institut Supérieur de Formation Bancaire (ISFB), Präsident, Kalaidos Fachhoch­schule (Westschweiz) – Bank und Finanzwesen

Alle Manager seien heute zu Leadern geworden hört man – weshalb haben die Seminare für den Teamzusammenhalt dann solchen Erfolg? Was mit solchen Kursen erreicht werden soll, ist zwar relativ leicht zu verstehen, doch die Frage stellt sich, ob sie wirksam sind und weshalb ihre Durchführung meistens nicht immer ganz ernsthaften oder sogar exotischen Beratern vorbehalten bleibt.

1 + 1 = ?

In den 1980er-Jahren zeigte die Übernahme der systemorientierten Ansätze in der Führungspraxis, wie wichtig die Kontakte untereinander für die Leistung einer Gruppe von Menschen sind. Bis anhin war die Mehrheit davon ausgegangen, es reiche eine gute Übereinstimmung zwischen den Stellen und den Kompetenzen zu erzielen, um zu gewährleisten, dass ein Produktionswerkzeug – nun ja, produktiv sei.

Das Aufkommen und die Übernahme des Komplexitätskonzepts liessen erkennen, dass diese Annahme falsch war. In Wirk­lichkeit war die Qualität der Kommunikation unter den Kompetenten wichtiger als die Qualität der Kompetenzen an sich. In der Mitarbeiterführung errechnet sich die Summe der Kompetenzen nicht arithmetisch und 1+1 kann 3 ergeben, aber leider auch 0. Aus diesem Grund haben die Unternehmen vor rund 30 Jahren angefangen, in die Qualität dieser Kommunikation zu investieren, um das Potenzial ihres Humankapitals zu optimieren.

Die Gesamtheit ist mehr als die Summe der einzelnen Teile

Zunächst versuchte man, herauszufinden, was die Leistung direkt behinderte (Spannungs- und Stressauslöser, Störelemente), und diese Faktoren zu beseitigen. Rasch merkte man aber, dass diejenigen Teams, die herausragende Leistungen erzielten, als gemeinsamen Nenner von einer starken Solidarität unter den Teammitgliedern geprägt waren.

Nun wollte man erforschen, worauf diese Solidarität basierte, um sie ausbauen zu können. Einige glaubten, man könne darin die Stärke der Unternehmenskultur erkennen und begannen, Integrationsseminare durchzuführen, die manchmal einer Gehirnwäsche ähnelten. Andere glaubten, das Hauptelement des Zusammenhalts sei die Fähigkeit des Chefs, eine Vision zu vermitteln, und umgehend wurden alle Manager aufgefordert, eine eigene Vision zu entwickeln und diese ihren Truppen einzubläuen!

Doch Solidarität, Zusammenhalt und Gemeinschaftssinn lassen sich nicht ver­ordnen, genauso wenig wie Vertrauen. Sie sind das Ergebnis einer gemeinsamen Geschichte, eines „gemeinsamen Lebens“. Teamgeist, der das Team von der Gruppe unterscheidet, gründet darauf, dass man gute und schlechte Momente zusammen erlebt und gemeinsam Schwierigkeiten überwindet.

Teambuilding, eine Art Oxymoron

Kann man denn nun diesen Teamgeist künstlich entwickeln? Wie es scheint, ist das nicht möglich. Genauso, wie man die Vergangenheit nicht verändern kann, kann man auch keine gemeinsame Vergangenheit erfinden.

Ein „wissenschaftliches“ Zusammen­stellen von Teams ist möglich. Dies ist ein langwieriger, komplexer, wirksamer Prozess, der jedoch nur selten angewandt wird, weil die Voraussetzungen dafür fast nie gegeben sind (abgesehen von gewissen entscheidenden Projekten). Meistens existiert eine Gruppe bereits und erzielt keine gute Leistung, obwohl die einzelnen Mitglieder an sich durchaus Qualitäten aufweisen. Man erachtet es dann als notwendig, bei diesen Personen einen Teamgeist zu entwickeln.

Da stellt sich erneut die Frage: Ist es möglich, in einer bereits bestehenden Gruppe, die keine positive gemeinsame Vergangenheit hat, Teamgeist zu schaffen oder zu entwickeln? Oft werden Management im Sport und Teamführung im Unternehmen miteinander verglichen. Doch berücksichtigt man, wie viele Nationalmannschaften sich aus äusserst talentierten Individuen zusammensetzen und es trotzdem nicht schaffen, auch nur die geringsten Ergebnisse zu erzielen, mag dies zweifelhaft erscheinen.

Grund dafür ist nicht nur die Tatsache, dass es schwierig ist, das Ego der Stars in den Dienst des Teaminteresses zu stellen. Der Misserfolg rührt auch daher, dass sich die einzelnen Mitglieder nicht kennen, dass sie in verschiedenen Clubs und Ländern mit unterschiedlichen Kulturen spielen und keinen gemeinsamen Alltag erleben. Denn am Ende ist es der Alltag, der den Teamgeist entstehen lässt. Im Unternehmen gilt das Gleiche: Eine Gruppe wird erst mit der Zeit und durch Herausforderungen zu einem Team. Dies kann anscheinend nicht durch ein Seminar ersetzt werden, auch nicht eines im Grünen.

Teamgeist kann zwar nicht künstlich erwirkt werden, doch zumindest kann man versuchen, die erforderliche Zeit für seine natürliche Entstehung zu verkürzen, indem auf intensive und beschleunigte Art eine gemeinsame Vergangenheit der Gruppe geschaffen wird.

Kreative oder sportliche Aktivitäten

Zusammenhalt und Solidarität gründen im Wesentlichen auf dem Respekt der Unterschiede zwischen den Mitgliedern und der Überzeugung, dass sich die Kompetenzen gegenseitig ergänzen. Der Leitgedanke solcher Initiativen besteht darin, diese Werte wann immer möglich im Rahmen ausserbetrieblicher Aktivitäten zu entwickeln. Dabei kann es sich um die soziokulturellen und sportlichen Clubs innerhalb des Unternehmens handeln, oder um das Sponsoring des Unternehmens von Initiativen zur sozialen Verant­wortung, mit denen sich die Mitarbeitenden identifizieren oder in denen sie sich persönlich engagieren können.

Ein anderer wesentlicher Weg führt über die Organisation von Seminaren „im Grünen“, gestützt auf eine sportliche oder künstlerische Aktivität. Der Fantasie sind hierbei keine Grenzen gesetzt, vorausgesetzt, es werden drei unumstössliche Regeln eingehalten: Respekt der Person, gleiche Anstrengung für alle und eine Wertschätzung des gemeinsam Erreichten.

Vor diesem Hintergrund gibt es denn auch keine guten oder schlechten Aktivitäten. Entscheidend ist allein, wie geeig­net die Initiativen für die Teilnehmenden sind und dass die oben genannten Regeln eingehalten werden. Je nach Anzahl Personen, Geschlecht, Alter, Kondition etc. kommen ein Hochseilgarten, Canyoning oder Rafting in Frage. Ich persönlich bezweifle hingegen den Nutzen und die positive Wirkung von Bungeejumping,
Skiausflügen, Golf oder Kart-Fahren, selbst wenn zahlreiche Unternehmen sich regelmässig dafür entscheiden.

Warum auf Dritte zurückgreifen?

Ohne die Qualität der Beraterfirmen, welche diese Art von Dienstleistungen anbieten, in Zweifel zu ziehen, mögen sich manche fragen, ob es wirklich notwendig ist, auf solche Anbieter zurückzugreifen.

Eine der Aufgaben des Teamverantwortlichen ist, für den Zusammenhalt seines Teams zu sorgen. Es kann deshalb für einen Manager heikel scheinen, diese Rolle an Dritte abgeben zu müssen. Und welche Rolle und Haltung soll er bei einem Seminar einnehmen, das durch Teambuilding den Zusammenhalt fördern will?

Bei Teambuilding-Aktivitäten geht es schlussendlich jedoch um Teambetreuung. Und eine solche kann nur schwer vom Teamverantwortlichen selbst durchgeführt werden, da die Beziehung zwischen Betreuer und Betreuten nicht durch eine andere, gefühls- oder hierarchisch begründete Verbindung „gestört“ werden darf.

Aus diesem Grund ist es besser, die Leitung von Teambuilding-Aktivitäten an Spezialisten zu übertragen, vor allem, weil damit auch ein nicht geringes Risiko verbunden ist. Ich spreche hier nicht von den technischen Gefahren, die mit der gewählten Aktivität zusammenhängen, sondern von den menschlichen und führungsbezogenen Risiken.

Kein Patentrezept

Teambuilding-Seminare können sehr wohl punktuell eine wirksame Hilfe für die Führungsverantwortlichen sein, doch sie sind weder ein Patentrezept noch risikofrei. Zunächst einmal, weil sie nicht in verfahrenen Situationen, in Teams mit einer schwierigen gemeinsamen Vergangenheit angewandt werden können. Seminare im Grünen ermöglichen nicht, Jahre des Grolls oder sogar des Hasses zu beseitigen. Ausserdem zeigen sie nur geringe Wirkung, wenn keine langfristige Fortsetzung erfolgt. Eine solche Initiative entlastet die Führungsperson nicht von einem „Vorher“ und einem „Nachher“. Denn selbst wenn die Mitglieder seines Teams ganz besonders für das Ziel motiviert sind, wäre sie allein nämlich bloss ein Schlag ins Wasser.

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