Nach der Fusion beschliesst ein Zürcher-Grossunternehmen der
Dienstleistungsbranche, die Erneuerung seines Kaders vorzubereiten.
Die interne Organisation ist seit langem darauf ausgerichtet, die
vorgehensschritte mittels Qualitäts-Konzepten definiert, die
Führungskräfte darauf vorbereitet und entsprechend ausgebildet.
Die Direktion ist mit dem geplanten Managementprojekt mehrheitlich
einverstanden, aber nichts kommt voran! Tatsache ist, dass der Generaldirektor
selbst nicht ganz überzeugt ist von der Zweckbestimmung des
Projekts. Er weiss vor allem nicht, welche Folgen es für seine
persönliche Zukunft haben wird, wagt es aber nicht, dies offen
einzugestehen. Auf einer anderen Hierarchie-Stufe des gleichen Unternehmens
wird ein junger Angestellter zum Chef einer Gruppe von zehn Mitarbeitern
befördert, wovon einige seine bisherigen Kollegen sind. Seine
Lage ist schwierig, weil er sich nicht wohl fühlt und nicht
recht weiss, wie er sich verhalten soll. Um respektiert zu werden,
entschliesst er sich zu einem sehr direkten Führungsstil. Leider
stellen sich die angestrebten Resultate nicht ein!
Wenn die zwei Situationen auch verschieden sind, haben sie doch
eines gemeinsam: Es handelt sich um Menschen, die mit beruflichen
Realitäten konfrontiert werden, an die sie sich anpassen und
die sie mitgestalten sollten. Sie werden das dank ihrer Lebenserfahrung
und ihren beruflichen Fähigkeiten, einer ständigen Weiterbildung
und ihrer persönlichen Motivierung bewältigen. Und dennoch:
das sich laufend verändernde Umfeld, in dem sich die Unternehmen
bewegen, der Wertewandel in unserer Gesellschaft und die Globalisierung
wecken bei den Individuen die Neigung zum Nachdenken und zu einer
besseren vorbereitung, bevor sie zur Tat schreiten. Hauptsächlich
daraus entsteht das Verlangen nach Coaching eine Mode, die
offensichtlich einem Bedürfnis entspricht.
Der englische Ausdruck coaching kommt direkt aus der angelsächsischen
Praxis der akademischen Bildung oder des sportlichen Trainings.
Er widerspiegelt den Begriff des Begleitens, der Führung und
der Hilfe zur Standortsbestimmung bei einer beruflichen aber auch
einer persönlichen Herausforderung. Der Ausdruck coach kommt
ursprünglich aus dem Französischen (cocher) und ist verbunden
mit dem dynamischen Begriff von Bewegung, des Verhaltens, der Zielsetzung.
Das coaching ist also ein Vertrauensverhältnis
zwischen Coach und einer betreuten Person. Im Rahmen einer Methode,
gemäss welcher keine Weisungen erteilt werden, erlaubt der
Coach der betreuten Person, ihren Visionen und ihrem Potential Ausdruck
zu geben und ihre eigenen Entscheide zu treffen. Er inspiriert sich
folglich bei Sokrates, der das Individuum auffordert, seine eigene
Wahrheit zu finden. Seit langem in amerikanischen Unternehmen angewandt,
hat das Coaching seit den Achtzigerjahren auch Europa erobert, mit
einer spektakulären Entwicklung in den Unternehmen in den letzten
3 bis 5 Jahren. Gewisse Stars des Showbusiness ebenso wie gewisse
Männer und Frauen aus der Politik scheinen im Coaching ein
neues Hilfsmittel zu entdecken.
Als Individuum oder Kaderangestellter ist es nicht immer leicht,
sich in einem Umfeld zurechtzufinden, dessen Werte, Zielsetzungen,
Bedürfnisse, Organisation und Management-Methoden aufeinanderprallen.
Unternehmenszusammenschlüsse, die Führung von Jungunternehmen,
KMUs oder Gruppen verursachen bei Mitarbeitern manchmal Zustände,
in welchen sie sich blockiert oder alleingelassen fühlen, wo
ihnen die Entscheidungen schwer fallen oder wo sie die Selbstbeherrschung
verlieren. Coaching ist folglich ein Prozess, welcher erlaubt, eine
berufliche und persönliche Situation abzuklären, um zum
Wohle des Unternehmens als auch der betroffenen Person besser ans
angestrebte Ziel zu gelangen. Das Endziel liegt im Erreichen eines
Gleichgewichtes zwischen den beruflichen Ambitionen und der Selbstverwirklichung.
Das Coaching ist nicht nur für oberste Führungskräfte
bestimmt, obschon diese eine bevorzugte Zielgruppe darstellen. Auf
der Stufe des Individuums kann man sagen, dass es darum geht, sich
selbst besser kennen zu lernen und andere zu akzeptieren, um Abstandnehmen,
Verankerung und Fixpunkte, um Ziele und um Sinn und Zweck des Handelns.
Für Gruppen finden sich darin Mittel und Wege, um die Aufteilung
der Werte und der Ziele sowie die Gruppendynamik zu optimieren (Team-Building).
Organisationen entdecken Möglichkeiten, Änderungen vorauszusehen
und zu bewältigen, indem sie die vorhandenen internen Fähigkeiten
bestmöglich einsetzen, nicht zuletzt in der Hoffnung, dadurch
die Betriebstreue der besten Angestellten zu fördern. Die Führungskräfte,
ob jung oder alt, werden in die Lage versetzt, die Blockierungen
in ihrem Unternehmen zu analysieren und vielleicht auch zu lösen.
Um die Position des Coachings im Rahmen der Hilfestellungen, die
einer Organisation zur Verfügung stehen, zu umschreiben, ist
es nützlich, einige Begriffe aus den Randgebieten des Coaching
aufzugreifen. Der Unternehmensberater (consulting) bringt Fachwissen
und bietet Lösungen an. Die Betreuung besteht im Begleiten
eines Angestellten im Unternehmen durch einen Mitarbeiter, welcher
das Fachgebiet gut kennt und welcher vorgängig dieselbe Stelle
innehatte. Das Tutoring ist eine Art Überwachung des Praktikanten
oder Schülers beim Erwerb seines Wissens. Die Mediation ist
eine Vermittlung durch einen Dritten in den Beziehungen zwischen
zwei Parteien. Die Schulung ist die Weitergabe, der Erwerb von Wissen.
Obschon das Coaching diese Gebiete streift, liefert es keine fertigen
Lösungen und übt es keine direkte Kontrolle und keinen
direkten Einfluss aus. Durch Zuhören, das Stellen von Fragen,
durch Neuformulierungen, durch Abstandnehmen und durch die Respektierung
der Vertraulichkeit gibt das Coaching dem Betreuten die Entscheidungsfreudigkeit
und das Verantwortungsbewusstsein zurück. Das Arbeitsverhältnis
geht aus einem schriftlichen Vertrag hervor. Darin ist das vorgehen
beschrieben, wobei auf folgende Punkte besonders eingegangen wird:
Definition der Ziele, Methodik, Kontaktfrequenz, Synthese-Richtlinien,
Aktionsplan, Kommunikationsmittel, Dauer des Coachings, Geheimhaltung.
Externes Coaching: Ein externer Spezialist wird beigezogen, um einzelnen
Personen oder Gruppen beim Lösen beruflicher Positions- oder
Managementprobleme beizustehen. Diese Leistung kann im Auftrag des
Unternehmens als dessen positiver Beitrag erbracht oder durch den
Betreuten selbst auf privater Basis verlangt werden. Das externe
Coaching kann sich offen abspielen oder unter Wahrung der Vertraulichkeit.
In jedem Fall muss aber mit dem Coach ein vertieftes Gespräch
geführt werden, um die Ziele festzulegen und mit der Methodik
und Berufsaufassung vertraut gemacht zu werden. Der Coach sollte
durch die zu betreuende Person ausgewählt werden und nicht
umgekehrt. Damit er objektiv bleiben kann, ist es wünschenswert,
dass er in wirtschaftlicher Hinsicht nicht allzu abhängig vom
Unternehmen ist.
Internes Coaching: Fachleute des Unternehmens selbst, Manager oder
Verantwortliche der Personalabteilung können für das Coaching
geschult werden. Sie unterstützen einzelne Mitarbeiter oder
Gruppen, wenn es sich darum handelt, Gruppendynamik zu entwickeln
oder andere Projekte durchzuführen. Das interne Coaching kennt
jedoch seine Grenzen: Fragen betreffend die Neutralität des
Coaches, seine Distanz zum Unternehmen, Diskretion und interne Machtverhältnisse
bleiben offen. Wenn nötig wird man also auf den vorangegangen
Paragraphen zurückgreifen.
Coaches verfügen im allgemeinen über eine reiche berufliche
Erfahrung und eine abgeschlossene Ausbildung im Coaching. Dazu gehören
Sozialkompetenz, Managementorganisation und das Beherrschen psychologischer
Diagnostik. Zu Beginn wurden sie also selbst betreut
und während ihrer Praxis überwacht. Sie müssen eine
tadellose Berufsethik besitzen und Unabhängigkeit gegenüber
ihren Kunden unter Beweis stellen.
Die vorgehensweise des Coaches kann je nach seinem beruflichen Profil
(Manager, Berater, Psychotherapeut) und je nach dem Verantwortungsniveau
der Kundschaft (Kader, Manager, Gruppen) oder seiner Wahl der diagnostischen
Mittel unterschiedlich sein. Schematisch gesehen unterscheidet man
einerseits zwischen einem positiven vorgehen, ausgerichtet auf sofortiges
Handeln, mit einer operationellen Pragmatik auf kurze Dauer und
andererseits einem längerfristigen vorgehen, das auf der Ermittlung
der Werte eines Menschen beruht und abklärt, wie er psychologisch
funktioniert, was für Ziele er verfolgt und was sein umfassendes
Handeln bestimmt. Schlussendlich stellt sich heraus, dass sich die
zwei Extreme in der Praxis oft wieder berühren und bei der
Diagnose die gleichen Mittel angewendet werden.
Das Coaching ist gegenwärtig im Begriff, eine regionale Legitimität
mit öffentlicher Anerkennung zu gewinnen, wie das bei andern
Berufen, welche internationalen Normen entsprechen, schon früher
der Fall war.
Als Direktor eines Finanzinstituts der Romandie, ist Herr Jean N.*
verantwortlich für die Entwicklung neuer Produkte für
einen sehr umworbenen Markt. In dieser Funktion führt er ein
Team von über 50 Mitarbeitern, wovon sich einige im Ausland
befinden. Er musste das Team in relativ kurzer Zeit zusammenstellen
und er hat sich mit dieser Aufgabe total indentifiziert. Es stellte
sich die Frage der Zielsetzung des Projekts, welche allen Mitarbeitern
vermittelt werden musste, ebenso wie der Managementstil für
dieses Team.
* Person und Unternehmen sind der Redaktion bekannt
S & C: Wie sind Sie mit dem Konzept und der Praxis des Coaching
in Kontakt gekommen ?
Einer meiner besten Mitarbeiter wurde ausgewählt, um eine neue
Strategie umzusetzen und die Tätigkeiten eines ganzen Teams
zu koordinieren. Ich wurde mir schnell bewusst, dass er mit gewissen
Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, weil seine Verantwortung
viel grösser geworden war. Wir haben die Sache mit der Personalabteilung
besprochen und es wurde uns empfohlen, einen Coach beizuziehen.
In einer ersten Phase und mit meinem Einverständnis handelte
es sich um einen Schritt, den mein Mitarbeiter auf persönlicher
Basis unternahm. Aber sehr rasch wollte er seine Erfahrung mit mir
teilen.
S & C: Was brachte Ihnen dieseTeilnahme ?
Ich stellte fest, dass ihm der Prozess, in welchem er sich befand,
eine bessere Standortsbestimmung ermöglichte in Bezug auf die
Zielsetzung der Aufgabe, die ihm anvertraut worden war, weil er
sich bewusst wurde, wie er selbst funktioniert, wie er auf seine
Gruppe wirkt und wie seine Beziehung zu mir aussieht. Dieses Abstandnehmen
und die Unterstützung, die ihm zuteil wurden, führten
zu einer stark verbesserten Weiterentwicklung des Projektes. Das
vorgehen war unserer Situation angepasst, ohne wesentliche organisatorische
Einschränkungen.
S & C: Warum haben Sie sich ebenfalls an diesem Prozedere
beteiligt ?
Unsere sehr anspruchsvolle Aufgabe liegt sowohl auf dem Gebiet der
Kunden als auch innerhalb des Unternehmens. Unsere Mitarbeiter bearbeiten
bedeutende Projekte, die eine andersartige Gruppenführung erfordern.
Der Einsatz im Verhältnis zur Bedeutung der Unternehmens und
des Projektziels, das Erkennen interner Fähigkeiten, die verschiedenen
persönlichen Handlungsweisen und das Erledigen des Tagesgeschäfts
sind viele Faktoren, die nicht immer leicht zu bewältigen sind.
Ich entschloss mich folglich, betreut zu werden. Dies
half mir, eine berufliche Bestandesaufnahme zu machen, Abstand zu
gewinnen und andern besser zuzuhören. Von Natur aus sehr unternehmerisch,
hatte ich die Tendenz, viel Platz für mich in Anspruch zu nehmen Was
mir am Prozedere ebenfalls gefällt, ist die Tatsache, dass
Analyse und Bewertung des hier und sofort den Weg weisen,
wie gehandelt werden muss.
S & C: Trifft der Coach nicht die Entscheidungen an Ihrer
Stelle ?
Auf keinen Fall! Die Position des Verantwortlichen birgt eine gewisse
Einsamkeit in sich, und er empfindet die Möglichkeit als sehr
positiv, mit einem externen Spezialisten einen offenen Gedankenaustausch
über berufliche Aspekte zu pflegen. Es handelt sich nicht bloss
um eine Diskussion, sondern um Methodik, die gestattet, den Sinn
unserer Handlungsweise sichtbar zu machen, diese zu strukturieren
und Feed-back zu erhalten. Auch versteht man die Bedürfnisse
anderer besser und lernt sich gleichzeitig selbst kennen. Das erleichtert
die Entschlussfassung und das Miteinbeziehen Dritter in die berufliche
Leidenschaft. Der Coach drängt sich nicht auf, aber er ist
verfügbar. Er hält mir einen Spiegel vor und ermuntert
mich, mir eine gewisse Anzahl Fragen zu stellen. Die Antworten stammen
nicht von ihm.
S& C: Wie haben Sie Ihren Coach ausgewählt ?
Das war kein Zufall. Ich habe einige von ihnen getroffen. Wir haben
uns über Methoden, aber auch über Beziehungen unterhalten.
Schlussendlich, jenseits der Schule welcher sie angehören,
aber auch jenseits ihrer beruflichen Ausbildung, handelt es sich
um Fragen der Persönlichkeit, der Sympathie, der Transparenz
und der Verfügbarkeit. Ich wählte also meinen Coach im
Bewusstsein dieser Faktoren, und die Stütze, die er mir bietet,
passt mir gut, sowohl für mich selbst als auch für die
Gruppenführung und für das Team-building. Es ist selbstverständlich,
dass sich diese berufliche Beziehung im Rahmen eines schriftlichen
Vertrages abspielt, welcher sämtliche Einzelheiten enthält:
Vertraulichkeit, Art und Anzahl der Inverventionen, Dauer, Art der
Kommunikation (mündlich, telephonisch, Internet).
S & C: Welche Ansicht haben Sie abschliessend über das
Coaching ?
Das vorgehen braucht etwas Mut, gibt aber unseren vorhaben einen
Sinn. Es erlaubt eine Standortsbestimmung in unserer Welt, die sich
ständig weiterentwickelt. Es stellt eine individuelle Unterstützung
dar, die man den besten Elementen zukommen lassen sollte, damit
sie die andern mitreissen. Die Personalchefs sollten sich ihm zur
Weiterbildung vielleicht ebenfalls unterziehen. Wenn das Coaching
in den angelsächsischen Ländern wie auch in Frankreich
und der Deutschschweiz schon sehr verbreitet ist, habe ich den Eindruck,
es gelte in der Romandie noch als Neuheit. In meinem Umfeld war
ein Kommentar charakteristisch: Endlich jemand der dich in
deiner Arbeit begleitet!. Das Coaching erlaubt, persönliche
Probleme im voraus zu erkennen (mangelnde Orientierung, Müdigkeit),
die eine globale Verantwortung mit sich bringen kann. Das Coaching
lehrt uns ebenfalls, die Fähigkeiten anderer zu sehen und ihren
Wert anzuerkennen.