Fr�d�ric Kohler
Direction des Ressources Humaines
BNP Paribas
Ein Wettbewerbsvorteil für den Betrieb
Für den Betrieb ist eine aktive Politik zugunsten der Key
People (KP) kein Extra. Sie ist ein absolutes Muss, nicht nur, um
die Langlebigkeit der Firma zu sichern, sondern auch, damit sie
sich entwickeln kann. Wichtig ist aber zuerst, den Begriff "Key
People" zu definieren und klarzustellen, wie ein dynamisches
Management dieser Gruppe aussehen könnte, das dem Betrieb einen
Wettbewerbsvorsprung gegenüber seinen Konkurrenten geben würde.
Die Leistungen und die Langlebigkeit eines Betriebs beruhen
in erster Linie auf der Verwaltung der Geschäftsrisiken. Dazu
gehört unter Anderem das Personalrisiko.
Wenn ein Mitarbeiter plötzlich nicht mehr fähig ist, seine
Schlüsselrolle in der Firma zu spielen, kann das schwere Konsequenzen
nach sich ziehen. Viele Firmen sind schon verschwunden, weil sie
ihren Gründer, ihren Generaldirektor oder andere Schlüsselpersonen
verloren haben. Solche Ereignisse, sei es ein Todesfall, ein Unfall
oder ein Rücktritt, müssen vorhergesehen, eingegrenzt
und gelöst werden.
Verpassen einer Gelegenheit
Auch wenn man einen ausgezeichneten Kandidaten nicht für
sich gewinnen kann oder wenn ein vielversprechender Junior die Firma
verlässt, bedeutet das meistens einen Gewinnausfall in der
Zukunft. Den Betrag, der verlorengeht, kann man nur selten ausrechnen;
das heisst aber nicht, dass er unbedeutend ist. Wer morgen Erfolg
haben will, muss heute für Talente sorgen und an sich binden;
das wissen wir alle.
Turnover-Kosten
Eindeutig ist hingegen, dass man viel sparen kann (Anwerbungs-
und Ausbildungskosten z.B.), indem man die Erneuerungskosten der
Key People tief hält. Ein besseres K P-Management im Betrieb
ist also nicht nur für die zukünftige Entwicklung wichtig,
sondern auch für die Rentabilität zu jedem Zeitpunkt.
Voraussicht ist im Ressourcenmanagement immer wichtig; im Zusammenang
mit den KPs ist sie eine Überlebensfrage.
Wer genau ist aber mit dem Begriff "Key People" (Schlüsselpersonen")
gemeint? Üblicherweise spricht man von 3 Kategorien von Mitarbeitern,
die dieser Gruppe angehören.
Schlüsselrollen
Die erste Kategorie, an die man denkt, besteht aus allen Mitarbeitern,
die für den Betrieb unentbehrliche Posten besetzen und auf
Grund der notwendigen Kompetenzen und Erfahrung nicht kurzfristig
durch einen anderen Mitarbeiter ersetzt werden können. Diese
Personen sind Mitglieder der Betriebsleitung, höhere Kader
oder hochspezialisierten Experten und werden wegen ihrer Aufgaben
als KPs betrachtet; man kann sie auch als "Key Roles"
(KR) bezeichnen.
Nachfolge für Schlüsselposten
Die zweite Kategorie besteht aus allen Mitarbeitern, die man
als Nachfolger der Mitglieder der ersten Kategorie (KRs) erachtet.
Sie wurden als solche identifiziert, davon informiert und entsprechend
ausgebildet, und sollen eines Tages die Nachfolge der aktuellen
Posteninhaber antreten.
Very High Potentials
Die dritte Kategorie schliesslich sind die "Very High Potentials".
Es handelt sich um Mitarbeiter, deren ausserordentliche Kompetenzen
sowohl aus grossen Kenntnissen bestehen, wie auch aus Know-how und
persönlichen Eigenschaften. Meistens ist es nur ihr Mangel
an Erfahrung, der sie von den Mitgliedern der zweiten Kategorie
unterscheidet.
Den KRs muss man auf zwei Ebenen besondere Aufmerksamkeit
schenken; sie müssen an die Firma gebunden werden und ihre
Kompetenzen müssen entwickelt werden.
Ersterer Aspekt wird von den Human Resources gemanagt. Die klassische
Lösung beruht auf hohen Gehältern.
Oft ist sie bei Mitgliedern der Betriebsleitung und hohen Kadern
ausreichend; bei spezialisierten Fachexperten führt sie jedoch
manchmal zu Enttäuschungen, weil sie mehr Interesse daran haben,
an der Spitze der Wissenschaft zu bleiben, als an einer symbolischen
Gehaltserhöhung. Um diese Mitarbeiter an das Unternehmen zu
binden, muss man ihnen neue Herausforderungen geben und versichern,
dass ihre Arbeit und Kenntnisse von anderen Fachspezialisten anerkannt
werden.
Die Umsetzung des zweiten Ziels ist oft schwierig: Senior-KRs mit
hohen Verantwortungsbereichen glauben oft, dass sie keine Ausbildung
mehr nötig haben und lassen ihre Kompetenzen veralten. Hier
muss die Firma darauf bestehen, dass die Kompetenzen dieser Schlüsselpersonen
so hoch wie möglich gehalten werden unter anderem, was die
Geschäftsverwaltung und Personalführung betrifft.
Der erste Schritt ist hier oft durch Vorausplanung auf der Basis
der vorhandenen Personalressourcen künftige Bedürfnisse
zu analysieren. Das bedeutet, dass vorhersehbare und unvorhersehbare
Rücktritte durch statistische Schlussfolgerungen und regelmässige
Gespräche mit aktuellen KRs vorausgeplant werden. Potentielle
Rücktrittsgründe müssen ausfindig gemacht werden,
um eine Personalkontrolltafel
aufzustellen mit Vorwarnungen, die es ermöglichen, die Zukunft
so sicher wie möglich vorauszusehen.
Der zweite Schritt ist die Suche nach möglichen Lösungen.
Hier reicht es nicht auf der Personalliste mögliche Nachfolger
ausfindig zu machen. Es muss ein wahres Kompetenzenmanagement entstehen
und die Karrieren der "Nachfolge-KPs" müssen individuell
verfolgt werden.
Das bedeutet, dass ein KR weiss, dass er ein KR ist und dass er
im Nachfolgemanagement des Betriebs eine Rolle zu spielen hat.
Ziele, Zeiträume und Aktionspläne für die Nach folge
definieren, deren Entwicklung fördern und deren Begleitung
organisieren:
Diese Massnahmen sind unumgänglich, um sich einerseits die
Leistungen der KP-Nachfolge für die Zukunft, andererseits ihre
Motivation und ihre Geduld zu sichern.
VHPs sind zweifellos die Kategorie, deren Verwaltung am heikelsten
ist. Sie sind motiviert, kompetent, in konstanter Entwicklung und
unerfahren, haben also alle Voraussetzungen, um ungeduldig zu sein.
Daher besteht ein grosses Risiko, dass sie sich als "untreu"
erweisen.
Diese Mitarbeiter müssen deshalb jederzeit individuell ganz
nah verfolgt werden.
Anwerbung von VHPs
Für einen führenden Betrieb ist das Problem nicht,
VHPs anzulocken, sondern sie dazu zu bewegen, einen Vertrag zu unterschreiben.
Nur eine ehrgeizige Personalpolitik kann zur erfolgreichen Anwerbung
von VHPs führen. Heute können Betriebe nicht mehr mit
langfristigen Karrieren werben. Daher müssen sie Talente durch
ihre Werte, ihre Unternehmenskultur und deren tägliche Umsetzung
überzeugen. Dazu braucht es grosse Transparenz und viel Kohärenz
in persönlichen Managementprozessen.
Für jeden Kandidaten muss die Personalverwaltung erstens überprüfen,
inwiefern er sich mit den Betriebs werten identifiziert und zweitens
versuchen sein Potenzial für Autonomie, Entwicklung, Mobilität
und Verantwortlichkeit zu überprüfen. Ausserdem muss sie
versuchen vorherzusehen, wie schnell der Kandidat sich entwickeln
will und kann, um auf beiden Seiten eine Enttäuschung zu vermeiden.
Von der Personalleitung wird also verlangt, dass sie eine Wette
um die Zukunft eingeht.
Eine fluktuierende Gruppe
Die Zusammenstellung der VHP-Kategorie verändert sich ständig.
Im Lauf der Zeit können Mitarbeiter der Gruppe beitreten und
sie wieder verlassen. Das bezieht sich natürlich auf frühere
VHPs, die mit einem gewissen Alter die erwünschte Kompetenz
nicht erreicht haben. Es trifft auch auf Mitarbeiter zu, die bei
ihrer Anstellung nicht als VHPs betrachtet wurden und die sich nach
einigen Jahren plötzlich als solche entlarven. Heikel ist also
auch, wie man den Betroffenen mitteilt, dass sie als VHPs betrachtet
werden. Wir empfehlen deshalb eine individuelle Begleitung, die
aber nicht als VHP-spezifisch abgestempelt sein darf.
"Mitarbeitertreue"
Die Treue des Mitarbeiters der Firma gegenüber hängt
in erster Linie davon ab, wie klar ihm Karrieremöglichkeiten
ersichtlich gemacht werden. Den Rest macht die tägliche Praxis
in Sachen Mobilität, Karriereentwicklung, Verantwortungsübergabe
und Transparenz aus.
Ausserdem ist für VHPs ein spezifisches Gehaltsanpassungsverfahren
zu bevorzugen. Ihr Gehalt muss ihren Leistungen und ihrer Entwicklung
angepasst sein; eine gewisse Flexibilität im Vergleich zu normalen
Verfahren muss also erlaubt sein. Ansonsten wird ihr Gehalt statt
zum Motivationsfaktor zu einer Quelle der Entmutigung.
Die Lage scheint also klar zu sein: Ziel des Betriebs ist es, VHPs
anzuwerben und sich KP- Nachfolge und KRs ans Unternehmen zu binden.
Hier liegt aber ein Widerspruch: Wie kann man gleich zeitig die
Treue seiner Seniors und das Interesse von vielversprechenden Juniors
haben? Wie also kann man die Qualität der Nachfolge sichern?
Um dieses Problem zu lösen ist es wichtig, die individuelle
Begleitung der KPs durch die Personalabteilung zu professionalisieren.
Wie es bei der ärztlichen Begleitung von Spitzensportlern üblich
ist, muss die Leitung des Personalwesens die Begleitung der Key
People horizontal und proaktiv gestalten.
Durch mittel- und langfristige Vorausplanung und dynamische Begleitung
der Key People nimmt das Personalwesen Teil an der nachhaltigen
Entwicklung des Unternehmens und bringt ihm einen wichtigen Wettbewerbsvorteil
mit. Könnte es also sein, dass das Personalwesen durch die
Key People neuen Glanz bekommt?