DIE 4 SÄULEN DES WISSENS
GRUNDLAGEN UNSERES LEBENS IN BERUF UND GESELLSCHAFT
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Tito Vila
Leiter Human Resources
Tamoil SA / Headquarter |
Seit eh und je entwickeln die Menschen ihre Persönlichkeit in einem langen Prozess von der Geburt bis zum Ende ihres gegenwärtigen Lebens.
Wenn wir ins Erwerbsleben einsteigen, haben wir, was die erworbenen oder uns innewohnenden Grundlagen unserer Persönlichkeit betrifft, einen bestimmten, uns eigenen Grad der Entwicklung erreicht. Diese erworbenen oder uns innewohnenden Grundprinzipien prägen uns; wir haben sie während unserer Kindheit und durch die verschiedenen Etappen des Studiums und des Lernens hindurch aufgebaut. Sie bilden die Grundpfeiler unserer zukünftigen Entwicklung in Gesellschaft und Beruf.
Dieser Artikel zeigt, dass wir unsere sozialen und beruflichen Fähigkeiten gestützt auf die vier allgemein unter Experten bekannten Grundlagen des Wissens entwickeln können. Des weiteren wird eine fünfte Wissensachse vorgestellt, mit deren Hilfe wir die vier anderen Wissensgrundlagen dynamischer gestalten und besser hervorheben können.
Was sind die 4 Säulen des Wissens?
Die 4 Säulen des Wissens sind: |
1. Lernen Wissen zu erwerben |
3. Lernen zu sein |
2. Lernen zu handeln |
4. Lernen zusammenzuleben |
1. „Lernen Wissen zu erwerben“ hat zum Ziel, erworbene Kenntnisse intellektuell verarbeiten zu können. „Intellektuell verarbeiten“ bedeutet, ein Phänomen der uns umgebenden Wirklichkeit zu verstehen und im Gedächtnis zu behalten.
Diese erste Säule erlaubt uns, eine Reihe von Kenntnissen zu erwerben, damit wir die uns umgebende Wirklichkeit besser verstehen können.
Das intellektuelle Wissen erhöht unsere Intelligenz. Intelligenz kann mit der Fähigkeit gleichgesetzt werden, durch unsere Gedankengänge und unsere Erinnerung Beziehungen zwischen den Dingen herzustellen.
Unsere objektive und subjektive Wahrnehmung des natürlichen, wirtschaftlichen, beruflichen und sozialen Umfeldes hängt direkt von unserer Intelligenz ab. Wir entwickeln sie durch das intellektuelle Aneignen von Wissen durch „Studium“.
Die erste Säule des Wissens kann mit einem Leuchtturm verglichen werden, der um uns herum Licht verbreitet. Sein Licht beleuchtet uns und die uns umgebende Welt. In Anlehnung an dieses Bild lässt sich sagen, dass die berühmten Gelehrten, die zum Fortschritt der Zivilisationen beigetragen haben, als „hohe Leuchttürme“ erscheinen, welche die Menschheit, die in der dunklen Leere ihrer Unwissenheit versunken ist, in Zeit und Raum erleuchten.
2. „Lernen, zu handeln“ meint praktisches Wissen, d. h. die Fähigkeit, erworbene Kenntnisse praktisch anzuwenden.
Solches Know-how erwirbt man durch Lernen und Erfahrung - sei es durch Nachahmung oder durch persönliche Erfahrung - in einem sozialen oder beruflichen Umfeld, in dem das jeweilige praktische Wissen zur Anwendung kommt.
Diese zweite Säule des Wissens umfasst alle Lebensbereiche und nicht nur die handwerklichen Tätigkeiten.
Durch das Erwerben von Know-how können wir in einem bestimmten Tätigkeitsbereich richtig und effizient handeln, um ein gewolltes Ergebnis zu erzielen.
Je öfter wir etwas über lange Zeit hinweg immer wieder anwenden, desto ausgeprägter wird unser praktisches Wissen. Know-how kann nicht nur durch theoretisches Lernen oder durch Studium erworben werden.
Unabhängig vom jeweiligen Wissen ist praktische und persönliche Erfahrung unerlässlich, um zu lernen zu handeln.
Die zweite Säule des Wissens ist durch ihre praktische Dimension eng mit dem Konzept der „Macht“ verbunden. Ein grosses Know-how gibt uns viel Macht zur Schaffung und Veränderung der uns umgebenden Wirklichkeit. Lernen zu handeln heisst auch, den sogenannten „Sinn fürs Praktische“ zu entwickeln. Durch diese praktische Veranlagung können wir uns entwickeln und mit den unterschiedlichsten erwarteten oder unerwarteten Situationen in unserem Leben umgehen.
Im Rahmen des Know-hows ist das Streben nach „Exzellenz“ wichtig, denn dadurch entsteht bei einer Tätigkeit eine Dynamik der Verbesserung und Optimierung.
„Exzellenz“ darf nicht mit „Perfektion“ verwechselt werden. Wenn jemand in einem bestimmten Bereich eine herausragende Leistung erbringt, bedeutet das nicht, dass er „perfekt“ ist. Im Gegenteil - in vielen Fällen ist objektiv erkennbar, dass ein pedantischer Perfektionist in seinem Tätigkeitsbereich niemals Herausragendes leisten wird.
3. „Lernen zu sein“ ist eine Wissensquelle, die uns mehr persönlich betrifft. Diese dritte Säule des Wissens zeigt, wie wir uns selbst in unserem natürlichen, sozialen oder beruflichen Umfeld wahrnehmen.
Wenn wir „lernen zu sein“, entwickeln wir mehr Selbstvertrauen und eine grössere Sicherheit in dem, was wir tun. Zudem wird unser Selbstbewusstsein gestärkt.
„Lernen zu sein“ kann bedeuten, dass wir uns selbst schrittweise besser kennen lernen. Introspektion, Selbstbeobachtung, Analyse unseres Verhaltens und unserer Gefühle: All das trägt entscheidend dazu bei, dass wir lernen zu sein.
Einer der grossen Lehrsätze von Hermes Trismegistos lautet: „Kenne dich selbst, dann wirst du alle Götter kennen“. Dieser weise Lehrsatz ist ein Schlüssel, der die Tür zur Selbsterkenntnis öffnet und uns erlaubt, einen hohen Grad des Seins zu erreichen.
„Lernen zu sein“ steht in direktem Zusammenhang mit unseren Erlebnissen. Unsere persönliche Geschichte bietet uns, wenn wir sie denn bewusst akzeptiert und verarbeitet haben, die Möglichkeit, voll und ganz im „gegenwärtigen Augenblick“ zu leben und die Zukunft sehr viel ruhiger und ohne überflüssige, irrationale, zwanghafte oder exzentrische Ängste zu betrachten.
Man kann auch sagen, dass dieses „Lernen zu sein“ automatisch dazu führt, dass wir eine gewisse innere Weisheit und eine starke Ausstrahlung erlangen.
Wenn wir einen hohen Grad des Seins erreicht haben, lassen wir uns weniger durch andere Menschen beeinflussen. Mehr noch: Je besser wir lernen zu sein, desto stärker werden wir ganz natürlich und „harmonisch“ unser soziales und berufliches Umfeld massgeblich beeinflussen. Denn eins ist klar: Um sich im Umgang mit anderen Menschen wohl zu fühlen, muss man sich erstmal in seiner eigenen Haut wohl fühlen.
Das innere Gleichgewicht, das aus der Entfaltung unseres Seins entsteht, erlaubt uns, einen tiefen inneren Frieden zu spüren und so in (fast) allen Situationen Ruhe und Gelassenheit zu bewahren. Diese Fähigkeit ist im beruflichen Umfeld sehr gefragt bei Kaderpositionen, die „heikle“ Tätigkeiten für das Unternehmen oder äusserst anspruchsvolle Verantwortlichkeiten übernehmen müssen.
Deshalb konzentriert man sich bei der Potentialanalyse (bei der Rekrutierung von „Top Managern“ oder im Rahmen einer „Management Development“-Politik im Unternehmen) zu einem grossen Teil auf diese Teilaspekte des „Lernens zu sein“.
4. „Lernen zusammenzuleben“ ist eine Säule des Wissens, die in den letzten Jahrzehnten oft vergessen ging oder vernachlässigt wurde; heute erlangt sie aber erneut Bedeutung.
Zusammenleben zu können bedeutet, andere Menschen zu respektieren. Dies zeigt sich durch die Höflichkeit und die wohlwollende Aufmerksamkeit, die wir den Menschen um uns herum entgegenbringen.
Diese vierte Säule des Wissens hat ihren Ursprung in der Erziehung, die wir während unserer Kindheit und Jugend genossen haben.
Ob wir aber mit anderen zusammenleben können, hängt vor allem von unseren Gedanken über unser Umfeld - bewusst oder unbewusst - ab sowie von den Gefühlen, die wir gegenüber anderen und für uns selbst hegen. Tatsächlich hat noch nie jemand seinen Nächsten respektiert, der vor sich selbst keinen Respekt hatte.
In diesem Sinne lernen und entwickeln wir das Zusammenleben jeden Tag, jeden Augenblick während unseres ganzen Lebens. Es handelt sich um eine besondere „Sensibilität“, die wir nur durch den uns allen eigenen guten Willen erlernen und entfalten können.
„Lernen zusammenzuleben“ bedeutet, einen gewissen Grossmut zu entwickeln. Dieser Grossmut beschränkt sich nicht auf die Regeln des höflichen Verhaltens in unserem gesellschaftlichen Umfeld. Er zeigt sich vor allem in der Haltung und den Gefühlen, die wir uns nahe stehenden Personen und Menschen, mit denen wir im täglichen Leben sei es privat, gesellschaftlich oder beruflich zu tun haben, entgegenbringen.
Jemand, der z. B. durch sein höfliches Benehmen gerne so tut, als ob er sich mit seinem Umfeld ausgezeichnet verstehen würde, der aber hinter dem Rücken der Personen, die mit ihm in Kontakt stehen, böswillig ist oder schlecht über sie spricht, hat bestimmt nicht gelernt, zusammenzuleben und ist auch nicht grossmütig, obwohl er über das notwendige Wissen dafür verfügt.
Durch eine liebenswerte und herzliche Haltung, sympathisches und zuvorkommendes Auftreten und durch eine gewisse „Ethik“ in unseren Beziehungen gewinnen wir den Respekt, die Wertschätzung und das Vertrauen der anderen.
Diese mit unserem Wissen ums Zusammenleben verbundenen Fähigkeiten sind bei den Unternehmen sehr gefragt und sie werden im Rahmen einer gut geplanten beruflichen Laufbahn immer wichtiger.
Die 4 Säulen des Wissens
Ich möchte hier noch das „Lernen einzugreifen“ erwähnen. Man könnte es als die Grundlage der vier genannten Säulen betrachten. Diese besondere Fähigkeit wird immer mehr Anerkennung finden, denn sie hat direkt mit dem taktischen oder strategischen Ansatz zu tun, der bei der Behandlung eines Dossiers nötig ist.
„Lernen einzugreifen“ bedeutet, richtig, zum richtigen Zeitpunkt, mit den richtigen Leuten und auf die angemessenste und effizienteste Weise in einem bestimmten Kontext zu handeln.
Man könnte sagen, es ist die Fähigkeit „just in time“ und „in the right way“ aktiv zu werden. Diese besondere Fähigkeit ergibt sich auch aus einem feinen Gleichgewicht zwischen dem „tun“ und dem „nicht tun“, ähnlich dem, was im Tao als das Handeln durch Eingreifen und das Handeln durch Nicht-Eingreifen beschrieben wird. Oft erzielen wir viel bessere Ergebnisse, wenn wir uns zurückhalten oder delegieren, anstatt uns direkt und persönlich in eine laufende Angelegenheit einzumischen.
Was bedeuten die 4 Säulen des Wissens für uns?
Man kann sagen, dass die vier grundlegenden Säulen des Wissens unseren wahren inneren Reichtum ausmachen.
Haben wir diesen Reichtum einmal entdeckt, kann ihn uns niemand wegnehmen oder zerstören. Aber der innere Reichtum ist auch nicht „ein für allemal“ erworben. Man muss ihn während des ganzen Lebens pflegen und weiterentwickeln.
Einige ziehen es vor, einen theoretischen, konzeptuellen Ansatz zu Wissen zu entwickeln, während andere sich eher an pragmatischen Kenntnissen orientieren. Ebenso interessieren sich einige Menschen stärker für die innere Kultur ihres Wesens, während andere automatisch eher auf Beziehungen und die Gesellschaft ausgerichtet sind.
Wirtschaftlich gesehen entspricht dieser Reichtum unserem „Wissenskapital“, das wir ausschöpfen müssen.
Es hängt ganz alleine von uns ab. Niemand anderes als wir selbst kann diesen potentiellen Reichtum, den unser erworbenes oder uns innewohnendes Wissenskapital ausmacht, schaffen und ausschöpfen.
Die alte Bauernweisheit „Nur wer den Garten sorglich pflegt, weiss auch, dass er ihm Früchte trägt“ ist hier völlig angebracht. Zögern wir nicht, unseren inneren Garten zu pflegen und unsere Felder zu bepflanzen indem wir „Samen des Wissens“ säen, von denen wir uns wünschen, dass sie wachsen mögen.
Mit der Zeit werden die Samen keimen, die Blumen blühen und die Früchte geerntet werden können.