Eine Stelle für unseren Planeten ... und vor allem für mich selbst!
Artikel erschienen im Career Starter, 13. Ausgabe 2009.

Eine Stelle für unseren Planeten ... und vor allem für mich selbst!

Von Elisabeth Laville, Gründerin des Büros Utopies und der Agentur Graines de Changement, Co-Autorin: Un métier pour la planète... et surtout pour moi, Hg. Village Mondial, 2007

Was will ich mit meinem Leben anfangen? Ist es möglich, eine Stelle zu finden, die meinen Werten entspricht? Gibt es überhaupt eine Chance, einen Job im Bereich Fair Trade, Umweltschutz, nachhaltige Entwicklung, in einem Bereich, der mich persönlich begeistert, zu erhalten? Kann ich mit meiner Arbeit einerseits genug Geld zum Leben verdienen und mich andererseits für eine Sache einsetzen, die mir am Herzen liegt? „Schliess keine Kompromisse, du bist alles, was du hast.“ Janis Joplin

Tausende von Absolventen stellen sich jedes Jahr diese Fragen. Auch Tausende anderer Menschen stellen sie sich – diejenigen nämlich, die einen Stellenwechsel planen, um ihr Berufsleben besser auf ihr persönliches Engagement als Aktivisten, Bürger oder Konsumenten abzustimmen. Denn immer mehr Menschen stützen sich in ihrem Verhalten als Bürger oder Konsumenten auf ethische Kriterien. In Frankreich bekräftigen 44 % der Menschen, sie würden die „staatsbürgerlichen“ Verpflichtungen der Unternehmen beim Kauf von Produkten berücksichtigen. 61 % erklären sogar, sie wären bereit, für Produkte, die eine „ethische“ Garantie böten, 5 % mehr zu bezahlen. Es handelt sich hier nicht bloss um Absichtserklärungen, dies zeigt der Erfolg des Fair-Trade-Kaffees oder der Bio-Produkte. Immer mehr junge Menschen wollen die Welt verändern und es bleibt nicht bei Lippenbekenntnissen: 40 % unter ihnen berücksichtigen bei ihren Einkäufen ökologische oder soziale Aspekte. Diese Tendenz findet sich auch bei der Stellensuche: 70 % der Studierenden und der gleiche Anteil der Erwerbstätigen erklären, dass sie bei ihrer zukünftigen oder eventuellen Jobsuche ethische Kriterien berücksichtigen wollen.

Sie wünschen sich einen Beruf, der ihre Ziele und ihr persönliches Engagement widerspiegelt. Sie möchten ihren Lebensunterhalt verdienen, ohne ihre Seele dem Teufel zu verkaufen. Sie wollen etwas Sinnvolles tun, eine Tätigkeit, die einen sozialen Nutzen hat und zu einer besseren Welt beiträgt. Sie möchten in ihrem Bewerbungsschreiben eine echte und spontane Begeisterung zum Ausdruck bringen können, damit diese Briefe Ausdruck ihrer Überzeugungen und ihres Engagements sind und nicht einfach eine Kopie wenig origineller und nicht überzeugender Modelle. Und damit liegen sie gewiss richtig, denn wenn man schon mehr als die Hälfte seines Lebens mit Arbeiten verbringt, so sollte diese Arbeit auch sinnvoll sein, für sich selbst und für andere!

Doch wie geht man vor, um ein Unternehmen und eine Stelle zu finden, die einem erlauben, wirtschaftlich, aber auch sozial und ökologisch aktiv zu werden? Wo findet man Alternativen zu den „klassischen“ Karrieren, die von den grossen Unternehmen und den Hauptakteuren der Globalisierung angeboten werden? Gibt es wirklich Jobs, die sich positiv auf unsere Welt auswirken? Kann man die alte Vorstellung beseitigen, nach der es nur zwei mögliche Wege gibt: eine traditionelle Karriere wählen und gut verdienen oder finanzielle Opfer erbringen, um einen Beruf auszuüben, der den eigenen Beweggründen tatsächlich entspricht?

Ja, es ist möglich – unter der Bedingung, dass man die Sache richtig angeht, bei der Stellensuche und bereits in deren Vorfeld. Im Folgenden finden sich einige Tipps, wie Sie Arbeitgeber finden, denen ethische Werte genauso wichtig sind wie der finanzielle Wert (und wie Sie sich für diese attraktiv machen) – vom pionierträchtigen KMU bis zum grossen Konzern, der sich durch seine Unternehmenspraxis im Alltag engagiert.

Sammeln Sie Informationen und bauen Sie ein Beziehungsnetz auf!

Lesen Sie die allgemeine Presse. Dort finden sich zunehmend
Artikel über nachhaltige Entwicklung; es handelt sich um ein Thema, dass zur Zeit „in“ ist. Lesen Sie die wichtigsten im deutschsprachigen Raum erschienenen Bücher über nachhaltige Entwicklung allgemein sowie über Ihre bevorzugten Spezialthemen (leihen Sie sie in der Bibliothek aus, wenn Sie sie nicht kaufen wollen). Bestimmen Sie durch Ihre Lektüre die Hauptakteure der Bereiche, die Sie interessieren. Besuchen Sie deren Websites und abonnieren Sie die kostenlosen elektronischen Newsletter im Bereich nachhaltige Entwicklung. Verpassen Sie keine Vorträge, Ausstellungen und Messen, die sich mit diesen Fragen befassen! Entwickeln Sie selbst eine Kultur der „nachhaltigen Entwicklung“: Nähren Sie Ihre Begeisterung und schärfen Sie gleichzeitig Ihre Fähigkeit, die Dinge kritisch zu hinterfragen. Nutzen Sie die Gelegenheit, um ein Beziehungsnetz aufzubauen: Nachhaltige Entwicklung oder nicht – man schätzt, das 70-80 % der Stellen vergeben werden, ohne dass sie je ausgeschrieben wurden. Sprechen Sie mit Personen, die bereits in den für Sie interessanten Bereichen oder Berufen arbeiten, über Ihre beruflichen Pläne. Fragen Sie sie, wie Sie vorgehen sollen und bitten Sie sie um Tipps für den Bereich, der Sie interessiert. So können Sie Ihre Wünsche präzisieren und Ihre Argumente verbessern!

Sammeln Sie Erfahrung!

Was in der nachhaltigen Entwicklung am meisten fehlt, ist die Erfahrung. Vergessen Sie deshalb nicht, während des Studiums oder in Ihrer Freizeit alle Chancen wahrzunehmen. Nutzen Sie studienbedingte Vorgaben, um sich eingehender mit den Themen zu beschäftigen, die Sie faszinieren: Praktika, aber auch freiwillige Vorlesungen zu Umweltthemen und zur nachhaltigen Entwicklung, Fallstudien oder Diplomarbeiten etc. Betätigen Sie sich ausser­halb des Studiums als Freiwilliger in Vereinen, die sich mit dem Thema beschäftigen, das Sie interessiert: Ist es der Umweltbereich, gehen Sie zu Greenpeace oder zum WWF, faszinieren Sie Solidarität und humanitäre Fragen, gehen Sie zu CARE ... Besuchen Sie die Websites der Vereinigungen, aber auch allgemeine Informationssites.

Eine Alternative ist, sich während des Studiums freiwillig für Massnahmen zur nachhaltigen Entwicklung an Ihrer Schule oder Universität stark zu machen: Strom sparen, die Studierenden sensibilisieren, Bio- oder Fair-Trade-Produkte, Recycling-Papier fördern ... es gibt unzählige Möglichkeiten! Sie können all diese Erfahrungen in Ihren Lebenslauf einbringen, Ihre Bewerbung gewinnt so an Profil.

Lernen Sie zu erkennen, welche Unternehmen sich engagieren!

Finden Sie in Ihrem Alltag diejenigen Unternehmen, die neue, umweltfreundliche Produkte oder Dienstleistungen anbieten oder sich im Bereich der nachhaltigen Entwicklung engagieren. Besuchen Sie die Websites der Firmen, die Sie interessieren und finden Sie heraus, was dort über das firmeneigene Vorgehen gesagt wird. Verlassen Sie sich auf Ihre Eindrücke ... Achten Sie auf Unternehmen, die freiwillige Verhaltenskodizes zur nachhaltigen Ent­wicklung wie z. B. den Global Compact der UNO (­www.unglobalcompact.org) unterzeichnet haben. Suchen Sie auch diejenigen Unternehmen, die einen Bericht über die nachhaltige Entwicklung veröffentlichen oder eine wichtige Rubrik auf ihrer Website diesem Thema widmen. Interessieren Sie sich für Firmen, die von ethischen Investoren oder Rating-Agenturen wie Dow Jones gut benotet und ausgewählt werden, für Firmen, die Mitglied spezialisierter Unterneh­mensverbände wie dem World Business Council on Sustainable Development oder CSR Europe auf internationaler Ebene oder von Eco Swiss in der Schweiz sind.

Gehen Sie ohne Angst Wagnisse ein: Sie werden sich bestimmt ab und zu täuschen, aber wenn schon! Sagen Sie sich, dass Sie in Wirklichkeit Ihren Arbeitgeber, Ihren Beruf, Ihre Karriere und das, was Sie daraus machen, selbst wählen. Sie können sich immer unwissend stellen und mehr oder weniger akzeptable Entschuldigungen finden, um aufzugeben. Sie können Ihre Überzeugungen zurückstellen und sich dafür entschuldigen, dass Sie sich an der Zerstörung der Natur oder der Lebensgrundlage von Menschen beteiligen, die in einem entfernten Land leben, das Sie nie bereisen werden.

Die Vogel-Strauss-Politik ist noch nicht vom Aussterben bedroht: So ist das System nun mal; ein einzelner Mensch kann nichts verändern, gewiss, die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist angespannt, da kommt es nicht in Frage, heikel zu sein, schliesslich muss man seinen Lebensunterhalt verdienen, denn es nützt den Armen ganz sicher nichts, wenn wir ebenfalls arm werden etc. Aber warum sollten Sie sich dafür entscheiden?

Sie können auch beschliessen, die Dinge anders zu sehen und dies nach aussen so zu kommunizieren. Sie können (stets) Fragen stellen: Warum? Wozu? Sie können sich dafür entscheiden, zur Lösung beizutragen, anstatt das Problem zu vergrössern oder den Status quo zu verlängern – wo auch immer Sie sich befinden: in der eigenen Firma, in einer NGO, einem engagierten KMU, einem Beraterunternehmen oder einem internationalen Konzern.

Haben Sie den Mut, sich selbst zu vertrauen, verstehen zu wollen, zu ändern, was verändert werden kann, für andere nützlich zu sein ... und Ihren eigenen Weg zu finden. Warum nicht? Auf jeden Fall gilt: Sie verlieren nichts, wenn Sie es versuchen. Allein und mit anderen. Für unseren Planeten ... und vor allem für Sie selbst! Oder, um es mit den Worten von Henry James zu sagen: „It is time to start living the life you imagined“.

Einige Websites zum Thema Nachhaltigkeit

Websites mit allgemeinen Informationen
www.agenda21-so.ch
www.glocalist.com
www.vistaverde.de
www.idealist.org
www.planete-urgence.com
www.sustainablebusiness.com
www.csrwire.com
www.environmentalleader.com
www.ethicalcorp.com
www.greenbiz.com
www.suedwind-institut.de

Websites von engagierten Unternehmen
www.eco-swiss.ch
www.sustainability-indexes.com
www.orse.org
www.wbcsd.org
www.oree.org
www.epe-asso.org
www.csreurope.com

Websites für Studenten und junge Leute
www.project21.ch
www.leitfaden-nachhaltigkeit.de
www.upj-online.de
www.faktorn.de

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