Bestimmte Gebräuche und Formulierungen, die in Arbeitszeugnissen vorkommen

Bestimmte Gebräuche und Formulierungen, die in Arbeitszeugnissen vorkommen

Wenn Ihr Arbeitgeber während Ihres gesamten Arbeitsverhältnisses mit Ihrer Leistung zufrieden war, wird das Arbeitszeugnis diese Zufriedenheit widerspiegeln. In diesem Fall wird z. B. zu lesen sein, dass Sie „die Ihnen übertragenen Aufgaben stets zufriedenstellend ausgeführt” haben. Hinweise auf Ihre Persönlich­keit könnten z. B. lauten, dass Sie „gewissenhaft” oder „genau” arbeiten, „sehr engagiert” sind oder „mit grosser Motivation” arbeiten, usw.

Wenn Ihre Beziehungen zu Kollegen und Vorgesetzten gut waren, wird auch das im Zeugnis durch Worte wie „hat gute Team­arbeit geleistet”, „hat ausgezeichnete Beziehungen zu seinen Kollegen und Vorgesetzten gepflegt”, „konnte sich sehr schnell ins Team einfügen”, usw. hervorgehoben.

Wenn es jedoch in Ihren Leistungen oder in Ihrem Verhältnis zu anderen Teammitgliedern Probleme gegeben hat, wird sich auch das im Zeugnis wiederfinden. Hier liegt auch der Stolperstein: Aus rechtlicher Sicht darf ein Arbeitszeugnis keine negativen Aussagen enthalten, die einen schlechten Eindruck vom Arbeit­nehmer geben würden oder ihm bei der Stellensuche schaden könnten. Man kann z. B. nicht in ein Zeugnis schreiben, „Herr X hatte wegen seines schlechten Charakters andauernd Streit mit seinen Kollegen, und sein Chef konnte ihn nicht mehr aus­stehen”. Eine solche Beschreibung ist gesetzeswidrig, doch das Arbeits­zeugnis muss die Wahrheit widerspiegeln. Die Frage ist, auf ­welche ­Weise man in diesem Kontext legale Kritik äussern kann.

In solchen Fällen sind Formulierungen angebracht, die die Wahr­heit zu verstehen geben, ohne sie direkt auszusprechen. Beim Lesen eines solchen Texts wird man natürlich auf Unausge­sprochenes achten müssen. Eine Möglichkeit ist, das problematische Thema einfach wegzulassen: Wenn im Zeugnis kein Wort zum Thema Beziehungen mit Kollegen steht, weiss der potentielle Arbeit­geber, dass das ein heikles Thema ist, und kann es im Gespräch weiter ausforschen. Wenn nötig, kann das Gesagte (oder das nicht Gesagte) mit der Erlaubnis des Angestellten beim ehemaligen Arbeitgeber überprüft werden.

Was passiert, wenn ein Angestellter sein Bestes getan hat, und trotzdem seine Aufgaben nicht erfüllen konnte? In diesem Fall wird im Zeugnis etwa zu lesen sein, dass der Angestellte „guten Willen gezeigt hat”, „sein Bestes getan hat” oder „stets bemüht war, den Anforderungen gerecht zu werden“. Im Klartext hat das zu bedeuten, dass er sich viel Mühe gegeben hat und auch viel Mühe hatte. Diese Sachlage macht eine Formulierung mit Unterlassungen nötig, doch die Bedeutung eines solchen Texts ist ­jedem informierten Leser zugänglich, nicht nur Eingeweihten aus dem Personalwesen.

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