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Sie fallen aus dem Rahmen? Machen Sie aus der Not eine Tugend!
Artikel erschienen im Career Starter, 18. Ausgabe 2014.
Sie fallen aus dem Rahmen? Machen Sie aus der Not eine Tugend!
Von Manuela Forno,
Crossroads – Professional Guidance
Bei der Lektüre heutiger Stellenangebote fällt eines auf: Die gesuchten Profile sind derart standardisiert, dass sie manchmal wie geklont klingen. Von einigen Ausnahmen abgesehen, verlangen die meisten Unternehmen nicht nur einen bestimmten Abschluss, sondern darüber hinaus einschlägige Erfahrung von einer festgelegten Dauer in genau der Tätigkeit, die sie ausschreiben. Das gilt sogar dann, wenn es sich um eine „Junior“-Position handelt.
Was also tun, wenn man eher zu der Sorte gehört, die sich nicht so einfach in die klar aufgeteilten Schubladen der Manager einsortieren lässt? Wenn man nicht über DAS Diplom oder die Berufserfahrung im ausgeschriebenen Tätigkeitsfeld verfügt? Wenn man so wagemutig war, sich in seinem Werdegang einige Monate oder gar Jahre orientierungsloser Findungsphasen zu gönnen, statt konsequent in eine konkrete Richtung zu gehen?
Stehen Sie zu Ihrem Werdegang...
Steht die Arbeitswelt nur geklonten Individuen offen, oder hält sie auch für jene, die sich in diesen Fragen wiedererkennen, Chancen bereit? „Natürlich tut sie das“, lautet die Antwort – allerdings nur unter einer entscheidenden Bedingung: Sie müssen ein für alle Mal dazu stehen, dass Ihr Werdegang kein Copy-Paste einer klassischen Stellenbeschreibung ist, und sich, ausgehend von Ihrer eigenen Lebenserfahrung, Ihren Platz in der Arbeitswelt gestalten.
Denn es ist ein Jammer, mitanzusehen, zu welch aufwändigen und doch vergeblichen Mitteln Bewerber mit atypischen oder verschlungenen Lebensläufen greifen, um vielleicht doch noch in die kleinen Schubladen der Unternehmen zu passen: Damit der Werdegang den immer gleichen Anforderungsschablonen entspricht, schrecken manche selbst vor Lügen über ihren Lebenslauf nicht zurück.
Erste Priorität für jemanden mit atypischem Werdegang ist also, proaktiv darüber zu sprechen und ohne Umschweife dazu zu stehen. Denn genau damit hebt er sich von seinen Mitbewerbern ab und weckt die Aufmerksamkeit des Personalverantwortlichen. Doch so wichtig dieser selbstbewusste Umgang mit der Andersartigkeit ist, ist er doch nur der erste Schritt. Danach warten weitere Fragen:
- Was hat Ihnen Ihr untypischer Lebenslauf gebracht?
- Welche Kompetenzen und Kenntnisse konnten Sie dadurch erwerben?
- Folgt Ihr Werdegang einem roten Faden, den es sich aufzuzeigen lohnt, und wenn ja (und es gibt zwangsläufig einen!), welchem?
- Und wie kann ein Arbeitgeber, insbesondere in Bezug auf die Anforderungen in seiner Stellenanzeige, davon profitieren?
Das heisst, Sie müssen sich, mehr als Mitbewerber mit „klassisch“ anmutendem Profil, mit sich selbst, Ihrem Leben und dessen Wert beschäftigen, und zwar unabhängig davon, was die breite Masse in ihrem konformistischen Denken davon hält oder dazu sagt. Stellen Sie sich also die folgenden Fragen:
- Wenn ich der Drehbuchautor meines Lebens wäre (und der sind Sie!), welche Kernbotschaft würde ich den Zuschauern meines autobiographischen Films vermitteln wollen?
- Welche spezifischen Charaktereigenschaften hat der Protagonist in meinem Film im Zuge seiner Erfahrungen entwickelt, und wie unterscheiden diese ihn von seinen Zeitgenossen mit klassischem Lebensweg?
Jede Erfahrung, so untypisch sie auch sein mag, hat ihren Wert. Und es liegt an Ihnen, diesen Wert herauszustellen, vor allem gegenüber denjenigen, die ihn nicht erkennen. Jede Erfahrung lässt sich in einen Erfolg ummünzen oder, einfacher gesagt, für die eigenen Zwecke verwerten: Ob es sich um eine Reihe verpatzter Prüfungen handelt, abgebrochene Ausbildungen, unkonventionelle Erfahrungen, Ehrenämter, Nebenjobs zur Sicherung des Lebensunterhalts, Reisen oder Sabbaticals, Hobbies, Babypausen oder gar Erkrankungen.
Wichtig ist, dass Sie sich gründlich mit diesen Fragen beschäftigen. Denn erstens können Sie so in Lebenslauf und Anschreiben vermitteln, wie reizvoll es wäre, Sie als Mitarbeiter zu gewinnen, und zweitens sind Sie so besser auf die bisweilen bohrenden Fragen Ihres Gesprächspartners bei einem eventuellen
Vorstellungsgespräch vorbereitet. Denn wenn Sie sein Interesse mit Ihren Bewerbungsunterlagen wecken konnten, können Sie ganz sicher sein, dass er sich beim persönlichen Gespräch durch Fragen zu Ihrem verschlungenen Lebenslauf ein genaueres Bild von Ihrer Causa machen will.
Wie und wo sollte man untypische Erfahrungen zur Sprache bringen?
Es heisst, dass nicht jede Wahrheit ausgesprochen werden sollte. In diesem Fall jedoch halten wir uns besser an die Wahrheit, allerdings mit folgender Einschränkung: „Jede Wahrheit sollte ausgesprochen werden, aber im richtigen Moment.“ Das heisst, bestimmte untypische Erfahrungen gehören in Ihren Lebenslauf, andere passen eher ins Anschreiben und wieder andere werden besser ein wenig informeller beim Vorstellungsgespräch erläutert.
Im Lebenslauf...
Im Lebenslauf sollte man besser nur konkrete und nachweislich erworbene Erfahrungen und Kenntnisse aufführen, die für den Personalverantwortlichen von Interesse sein könnten. Denn im Grunde ist es unwichtig, wie und wo Sie sie erworben haben. Ihr Ansprechpartner will aus Ihrem Lebenslauf herauslesen können, welche erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten Sie „beinhalten“, die mit seinen Ansprüchen kompatibel sind.
Sie haben nicht das tolle Diplom, das er verlangt? Konzentrieren Sie sich darauf, welche einschlägigen Kenntnisse Sie erworben haben, die mit dieser Eintrittskarte in den Job vergleichbar sind, beschreiben Sie dem Personaler genau, wo und wie Sie sie bislang eingesetzt haben.
Sie haben nicht die nötige Berufserfahrung? Stellen Sie die Projekte in den Vordergrund, die Sie in dem betreffenden Feld bereits umgesetzt haben.
Vergessen Sie nicht, ehrenamtlichen Tätigkeiten, Sabbatjahren, Reisen und Studentenjobs angemessenen Raum zu geben: Beschreiben Sie sie als vollwertige professionelle Tätigkeiten, bei denen Sie Kompetenzen erworben haben, die Ihrem künftigen Arbeitgeber von Nutzen sein werden.
Bekennen Sie Farbe, indem Sie Ihren Lebenslauf mit einem Abschnitt über Ihre Kompetenzen und Trumpfkarten einleiten, die Sie Ihrem kurvigen Werdegang zu verdanken haben.
Im Bewerbungsanschreiben...
Das Anschreiben ist die ideale Möglichkeit, Ihrem Ansprechpartner etwas mehr von sich preiszugeben und – inhaltlich wie sprachlich – zum Ausdruck zu bringen, wie originell Ihr atypischer Werdegang ist. So kann es bei der Bewerberauswahl genau ins Schwarze treffen, also unter den Hunderten 08/15-Lebensläufen, die sich auf dem Schreibtisch eines Personalers stapeln, den Unterschied machen.
Das erfordert natürlich etwas mehr Aufwand als für den Durchschnittsbewerber, aber das sollte Ihnen die Einladung zum Vorstellungsgespräch wert sein. Machen Sie Ihrem Gegenüber klar, inwiefern Ihre Andersartigkeit seinem Unternehmen einen Gewinn bringt, und wecken Sie so sein Interesse. Grundvoraussetzung dafür ist, dass Sie selbst davon überzeugt sind. Dazu müssen Sie den ersten Abschnitt dieses Artikels beherzigen: Stehen Sie zu Ihrem Werdegang und honorieren Sie ihn, welche Stationen auch immer Sie durchlaufen haben.
Im Vorstellungsgespräch...
Das Vorstellungsgespräch ist die ideale Gelegenheit, die geforderten Kompetenzen und die Stärken, die in Ihnen schlummern und für Ihr Gegenüber von Interesse sein könnten, exemplarisch zu demonstrieren. Berichten Sie beispielsweise von ganz persönlichen Erfahrungen, die weder im Lebenslauf noch im Anschreiben zur Sprache gekommen sind und die Ihnen zu diesen Kompetenzen verholfen haben. So können Sie von schwierigen Situationen – Krankheiten, Unfällen – oder noch persönlicher – Babypausen, gemeinnütziger Arbeit – erzählen, um Ihrem Gesprächspartner Ihre Stärken und Vorzüge aufzuzeigen, die Sie in diesen Phasen entwickelt haben und die dem Unternehmen zum Nutzen gereichen können.
Machen Sie sich daher klar, dass gerade Ihre Andersartigkeit das grosse Plus in Ihrem Werdegang ist. Es ist nutzlos, sie kleinzureden, zu verheimlichen oder sie als Normalität darzustellen. Natürlich müssen Sie dafür mehr Überzeugungskraft an den Tag legen als der Durchschnitt, aber Sie haben es in der Hand. Seien Sie selbst von den Vorteilen überzeugt, die Ihre verschlungenen Wege bringen. Führen Sie sich vor Augen, dass man einen Berg niemals auf einem geraden Weg besteigt, der immer nur in eine Richtung führt. Vielmehr erklimmt man den Gipfel immer über einen kurvenreichen Pfad, der zwar sehr viel länger ist, dafür aber oftmals deutlich mehr Erfahrungen bereithält.