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Lügen beim Vorstellungsgespräch: Mit Vorsicht zu geniessen!
Artikel erschienen im Career Starter, 16. Ausgabe 2012.
Lügen beim Vorstellungsgespräch: Mit Vorsicht zu geniessen!
Von Giuseppina Colella et Julien Theler,
Studierende am Institut für Arbeits- und Organisationspsychologie,
Universität Neuenburg
Sie sind zu einem Vorstellungsgespräch für Ihren Traumjob eingeladen, doch die Mitbewerber sind zahlreich und Ihr Profil weist einige Lücken auf. Sollten Sie der Versuchung nachgeben, diese Lücken durch ein paar Übertreibungen und Lügen zu schliessen? Macht Sie das zu einem besseren Anwärter oder zu einem Lügner ohne jegliche Ethik?
Übertreibungen oder kleine Lügen – wie gross ist Ihre Versuchung?
Sie haben es geschafft: Man hat Sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Kein weiteres Verschicken von Lebensläufen und Bewerbungsschreiben mehr! Nur noch eine letzte „kleine Hürde“: Sie müssen den Personalverantwortlichen davon überzeugen, dass Sie die richtige Person für den Job sind. Ob Sie die Stelle erhalten oder nicht, wird von seiner Einschätzung abhängen. Da ist man versucht, sich nur von seiner besten Seite zu zeigen, wenn der Moment gekommen ist, sein Profil zu präsentieren: Wird das ausreichen? Wäre es überzeugender, wenn Sie etwas übertreiben würden? Wenn der Personalverantwortliche glauben würde, dass Sie anstatt über rein theoretisches Wissen in einem bestimmten Bereich über ein wenig Praxiserfahrung verfügten oder es scheint, als hätten Sie ein Projekt geleitet, an dem Sie in Wirklichkeit einfach nur mitgearbeitet haben? Einige Übertreibungen oder kleine Lügen scheinen manchmal ein geringes Risiko angesichts der Bedeutung einer positiven Einschätzung. Wie weit wären Sie bereit zu gehen?
Die kleine Lüge, um Ihr Profil zu beschönigen...
In einer perfekten Welt könnten Sie bei einem Vorstellungsgespräch Ihre Eigenschaften und Kompetenzen vollständig und ehrlich präsentieren – und dies einem Personalverantwortlichen, der in der Lage ist, herauszufinden, ob Sie für die Stelle geeignet sind oder nicht. Leider sieht die Wirklichkeit meist anders aus. Nicht immer gelingt es den Personalverantwortlichen, so unvoreingenommen zu sein und einen Bewerber nur unter Berücksichtigung der erforderlichen Kompetenzen zu beurteilen. Es kommt vor, dass ihre Entscheidung sich auf eine globale Einschätzung stützt, eine Mischung aus einem Eindruck von Kompetenz und einem Sympathiegefühl, ohne dass sie ihre Entscheidung begründen könnten. Dadurch haben diejenigen Bewerber gute Chancen, denen es am besten gelingt, einen guten Eindruck zu hinterlassen, ihren Diskurs zu beschönigen, das Gespräch auf Themen zu lenken, die sie begünstigen und gleichzeitig diejenigen Fragen zu vermeiden, die sie lieber nicht behandeln möchten. Vorstellungsgespräche, insbesondere, wenn sie ohne Leitfaden und Beurteilungsraster geführt werden, sind für solche Manipulationen anfällig. Da ist man schnell einmal versucht, dies auszunutzen. Nur selten erfüllt ein Bewerber sämtliche Anforderungen des Personalverantwortlichen. Sie bilden bestimmt keine Ausnahme: Sie haben Stärken, die Sie hervorheben können, aber gleichzeitig auch einige Schwächen. Andere Bewerber werden sich mit genauso interessanten Profilen präsentieren und einige werden nicht zögern, gewisse Taktiken einzusetzen, um das Bild, das sie dem Personalverantwortlichen vermitteln, zu optimieren. Was aber wäre, wenn auch Sie lernen würden, sich dieser Techniken zu bedienen, um ein Bild des idealen Kandidaten zu präsentieren?
Taktiken, die Ihnen zur Verfügung stehen
Mehrere Studien haben gezeigt, dass verschiedene Taktiken zur Beeinflussung des vermittelten Eindrucks sich auf die Einschätzung des Personalverantwortlichen auswirken und die Chancen des Bewerbers, die angestrebte Stelle zu erhalten, deutlich erhöhen können. Das Hervorheben seiner – tatsächlichen oder fiktiven – Kompetenzen gehört dazu. Ihnen stehen drei Taktiken zur Verfügung, mit deren Hilfe Sie Ihre Kompetenzen mehr oder weniger aufrichtig darstellen können.
In der Fachliteratur verwendet man dafür die englischen Begriffe Self-Promotion, Slight Image Creation und Extensive Image Creation. Die Unterscheidung zwischen den dreien ist wichtig, denn die Personalverantwortlichen reagieren nicht auf alle Taktiken gleich.
Self-Promotion bedeutet, sich positiv darzustellen, indem man seine Kompetenzen, Eigenschaften und Erfahrungen herausstreicht, aber stets aufrichtig bleibt. Slight Image
Creation hingegen ist heikler, denn dabei überschreiten Sie die Grenzen der Ehrlichkeit, indem Sie Ihre Vorteile beschönigen. Bewerber greifen auf diese Taktik zurück, wenn sie ihre Sprachkenntnisse, das Beherrschen gewisser Werkzeuge oder ihr Interesse für den Tätigkeitsbereich des Unternehmens übertrieben darstellen.
Extensive Image Creation schliesslich besteht darin, direkt zu lügen, indem man Erfahrungen, Kompetenzen oder Eigenschaften anführt, die man gar nicht besitzt. Diese Taktik hat nichts mehr mit Aufrichtigkeit zu tun, denn man kreiert ein frei erfundenes Profil. Wenn Sie nun diese drei Taktiken kombinieren, haben Sie die Möglichkeit, dem Personalverantwortlichen ein Profil zu präsentieren, das mehr oder weniger mit dem gesuchten übereinstimmt und mehr oder weniger aufrichtig ist. Ein ideales Profil zu präsentieren ist natürlich verlockend, aber welche Risiken geht man dabei ein? Wird der Personalverantwortliche diese Taktiken entlarven? Wie wird er auf das, was er entdeckt zu haben glaubt, reagieren?
Heben Sie Ihre Kompetenzen hervor, bevor Sie zu lügen beginnen!
Zögern Sie auf keinen Fall, ehrlich Ihre tatsächlichen Kompetenzen hervorzuheben: Self-Promotion wird von den Personalverantwortlichen nicht negativ beurteilt. Diese Haltung wird von einem „guten“ Bewerber sogar erwartet. Dazu müssen Sie sich überlegen, welche Elemente Sie einsetzen können, um sich selbst besser „zu verkaufen“. Listen Sie die für die angestrebte Stelle nützlichen Kompetenzen auf und erwähnen Sie berufliche Situationen, in denen Sie diese Kompetenzen eingesetzt haben. Betonen Sie die Übereinstimmung zwischen Ihren Werten und denjenigen des Unternehmens. Stellen Sie Ihre Fähigkeiten und Eigenschaften dar, indem Sie eine Verbindung zur Stelle, bzw. Ihrer Vision dafür herstellen. Dadurch können Sie Ihre Stärken am besten nutzen. Es wäre schade, wenn der Personalverantwortliche Sie unterschätzen würde, weil es Ihnen nicht gelingt, Ihre Stärken wirksam zu präsentieren.
Ein wenig zu übertreiben kann nicht schaden...
Was ist nun aber mit Lügen? Die Personalverantwortlichen sind nicht so gut, wie man meinen könnte, wenn es darum geht, bei Bewerbern die Verwendung von Strategien zu entdecken. Nur 32,9% der verwendeten Taktiken wurden erkannt. Die Personalverantwortlichen haben zudem Mühe damit, herauszufinden, ob es sich um Self-Promotion, Übertreibung oder Lügen handelt: In zwei Drittel der Fälle erkannten sie zwar die Verwendung einer Technik, täuschten sich aber in der Einteilung. Doch Vorsicht! Das heisst nicht, dass Sie nach Lust und Laune lügen dürfen. Personalverantwortliche gehen mit Lügnern nicht gerade sachte um: Wenn die Taktik der Extensive Image Creation erkannt wird, bleibt das nicht ohne Auswirkung und ihrer verdächtigte Bewerber werden negativ beurteilt. Selbst wenn Lügen nur selten aufgedeckt werden, sollten Sie solche vermeiden. Ziehen Sie die Technik der Slight Image Creation vor. Die Personalverantwortlichen überschätzen die Ehrlichkeit der Bewerber. Wenn sie eine Slight Image Creation entlarven, tendieren sie dazu, diese mit Self-Promotion zu verwechseln! Und selbst wenn sie die Taktik richtig erkennen, wirkt sich dies nicht negativ auf ihre Absicht aus, den Bewerber einzustellen. Daraus ergibt sich eine logische Schlussfolgerung: Die Personalverantwortlichen rechnen damit, dass die Bewerber ein wenig übertreiben, sie finden das normal und akzeptabel. Sie dürfen sich also durchaus in diese „Grauzone“ zwischen Ehrlichkeit und Lüge vorwagen!
Die Beschönigung: Wie und warum man diese (nicht) nutzen sollte
Nun sagen Sie sich wohl: Was für eine ausgezeichnete Nachricht! Und nehmen sich vor, bei Ihrem nächsten Vorstellungsgespräch nicht zu zögern, Ihr Profil hier und dort um ein wenig Erfahrung und beruflichen Erfolg zu erweitern. Das dürfen Sie tatsächlich tun: Die Studien zeigen, dass Sie damit Ihre Chancen erhöhen, angestellt zu werden, dass die Personalverantwortlichen nur wenige Lügen erkennen und leichte Lügen und Übertreibungen nicht negativ beurteilen. Nehmen Sie sich aber vor zwei Risiken in acht: Erstens könnte man Sie entlarven, wenn Sie erst einmal angestellt sind, denn dann geht es nicht mehr darum, Ihre Kompetenzen zu beschreiben, sondern sie anzuwenden und zweitens könnten Sie sich in einer Stelle wiederfinden, die Ihnen nicht wirklich zusagt. Sein Interesse für die Werte des Unternehmens oder seine Kompetenzen aufzubauschen, erlaubt einem zwar, eine Stelle zu erhalten, aber wenn Sie jeden Tag eine Funktion ausüben müssen, die nicht zu Ihnen passt, wird das für Sie möglicherweise keine grosse Bereicherung darstellen. Ziehen Sie deshalb Self-Promotion der Image Creation vor! Konzentrieren Sie sich auf die Darstellung Ihres Profils, zögern Sie nicht, ein wenig zu übertreiben; der Personalverantwortliche wird es Ihnen nicht übel nehmen, wenn Sie sich gut verkaufen. Sie können bestimmte Aspekte Ihres Profils ein wenig aufbauschen, aber fragen Sie sich, ob es Sinn macht, sich gestützt auf ein Profil anstellen zu lassen, das nicht wirklich Ihr eigenes ist. Vermeiden Sie auf jeden Fall zu lügen: Wenn ein Personalverantwortlicher Sie entlarvt, werden Sie vom Bewerbungsverfahren ausgeschlossen.