Die sozialen Netzwerke und das Einstellungsverfahren
Artikel erschienen im Career Starter, 17. Ausgabe 2013.

Die sozialen Netzwerke und das Einstellungsverfahren

Von Prof. Dr. Eric Davoine, Ordentlicher Professor, Personalwesen und Organisation, Universität Freiburg

Sie haben im Jahr 2007 in der Westschweiz eine Studie über die Tendenzen bei der Personaleinstellung in Unternehmen durchgeführt. Wie hat sich die Kandidatensuche entwickelt? Waren die sozialen Netzwerke damals bereits ein Thema?

So erstaunlich es scheinen mag: 2007 sprach noch niemand von den sozi­alen Online-Netzwerken. Facebook oder Linked­In steckten noch in den Kinder­schuhen. Zu dieser Zeit wurden allerdings zwei interessante Tendenzen deutlich, die sich seit Ende der 2000er Jahre abzeich­neten: Zum einen existierten soziale Netzwerke noch nicht im Internet. In zahl­reichen Unternehmen sah man jedoch, dass zunehmend die eigenen Beziehungen, Freunde, Bekannte oder Mitarbeiter (und natürlich deren persönliche und berufliche Netzwerke) genutzt wurden, um mit potenziellen Bewerbern in Kontakt zu treten. Durch ihre Anstrengungen zur Systematisierung und objektiven Gestaltung des Auswahlprozesses (mit Hilfe von strukturierten Bewerbungsgesprächen, Tests und Assessment-Centern) konnten die meisten Unternehmen in ihrer Kandidatensuche nun offener sein und im Vorfeld des Verfahrens auf zwischenmenschliche Beziehungen und Vertrauen setzen. Zum anderen gewann das Internet für den Arbeitsmarkt an Bedeutung: Datenbanken, Plattformen, Portale etc. Die Unternehmen begannen mit der Entwicklung ihrer Online-Bewerbungsportale. Vor fünf Jahren war die Bedeutung dieser Portale bei der Einreichung von Bewerbungen noch gering, heute sieht die Lage jedoch ganz anders aus. Immer mehr Unternehmen verweisen
die Bewerber auf ihre Homepage und bitten sie gezielt, ihre Unterlagen online einzureichen. Diese Praxis ermöglicht eine bessere Ablage und Nachverfolgung der Bewerbungen. Die sozialen Online-Netzwerke nehmen beide Entwicklungen auf und bieten eine gemeinsame Lösung dafür. Die Personalverantwortlichen haben die Vorteile der Personaleinstellung über das Internet – via Stellenportal oder unternehmenseigener Karriereplattform –,
jedoch auch die Vorteile der sozialen Netzwerke klar erkannt.

Wie benutzen Personalverant­wortliche heute die sozialen Online-Netzwerke?

Zwar setzen Personalverantwortliche diese Netzwerke immer mehr ein, allerdings kann man nicht von einer Revolution sprechen. Es handelt sich eher um eine fortschreitende Veränderung der Vorgehensweise. 2010 führten wir eine weitere Studie mit ca. 150 Personalverantwortlichen von Westschweizer Unternehmen durch: Damals begann man gerade erst, soziale Online-Netzwerke zu nutzen. Für Personalverantwortliche sind die beruf­lichen Netzwerke im Internet, LinkedIn, Viadeo oder Xing, aus mehreren Gründen interessant. In erster Linie ermöglichen sie eine gewisse Rückverfolgbarkeit einer Person oder eines Bewerbers. Informationen aus dem Lebenslauf, Werdegang, bisherige Funktionen sowie erworbene Titel können nun überprüft werden und auch das Netzwerk des Bewerbers wird sichtbar. Man kann erkennen, in welche Art von Netzwerk der Bewerber integriert ist und ob er den Kontakt zu seinen ehema­ligen Arbeitskollegen aufrechterhalten hat.

Immer mehr wird darauf geachtet, wie Bewerber sich beruflich darstellen. Bei Facebook ist die Lage anders: Die ersten Studien aus Frankreich, Deutschland und den USA zeigen deutlich, dass Personalver­antwortliche eher heimlich auf die privaten sozialen Netzwerke zurückgreifen, mit dem Ziel, Kontrolldaten zu sammeln: Sie prüfen, ob die Bewerber ihrem Arbeitgeber nicht übel nachreden und ein anständiges, ausreichend professionelles Bild von sich im Internet zeichnen. Nicht alle Personalverantwortlichen ziehen private Netzwerke zu ihrer Recherche heran, und nur wenige geben dies offen zu. Die Versuchung ist jedoch vor allem in der Westschweiz, wo sich private und beruf­liche Netzwerke leicht überschneiden, gross. Durch eine Google-Suche erhält der Personalverant­wortliche zusätzliche Informationen über den Bewerber. All das sind gute Gründe, sein Image im Internet zu kontrollieren.

Die beruflichen Netzwerke werden von Personalverantwortlichen immer häufiger systematisch anhand von Schlüssel­wörtern durchsucht, um bestimmte Profile zu ermitteln. Dies bedeutet, dass die ver­wendeten Schlüsselwörter zuvor präzise und sorgfältig gewählt werden. Einige Personalverantwortliche schreiben nun auch freie Stellen in den sozialen Netzwerken aus. Schliesslich werden Personalverant­wortliche durch die laufende Aktualisierung der Daten in den sozialen Netzwerken über die Verfügbarkeit ihrer Kontakte oder potenzieller Kandidaten informiert: Auf die Fragen, wo sie sind und was sie machen, findet sich in den Profilen oft eine Antwort. Soziale Netzwerke sind interaktive Adress­bücher, die von Ihren Kontakten immer regelmässiger aktualisiert werden. Für die HR-Verantwortlichen sind die Netzwerke auch deshalb interessant, weil durch sie der Kontakt zu ehemaligen, nun in anderen Unternehmen beschäftigten Angestellten gewahrt werden kann – ein Kontakt, den man jederzeit wieder intensivieren kann, falls sich eine neue Beschäftigungsmöglichkeit ergibt.

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Bewerber? Wie sollten sie ihre Internet­präsenz in den sozialen Netz­werken gestalten? Was raten Sie jungen Bewerbern?

Bezüglich seines Profils auf einem sozialen Netzwerk sollte der Bewerber sich ebensogut überlegen, was er von sich zeigen möchte, wie bei seinem Lebenslauf, da beide gleichermassen von potentiellen Arbeitgebern gelesen werden können. Doch sollte das Profil im Netzwerk allgemeiner gehalten sein als der an ein Unternehmen geschickte Lebenslauf. Profil und Lebenslauf müssen kohärent sein und dürfen sich nicht widersprechen. Stellen Sie sich einen Personalverantwortlichen vor, der ein Anschreiben von einer Person erhält, die sich für Lebensmittelvermarktung zu begeistern behauptet, und die gleichzeitig auf ihrem Profil auf LinkedIn eine Stelle als Finanzanalyst sucht ... Des Weiteren geben Sie mit Ihrem Profil im Netzwerk nicht nur Auskunft über Ihren Werdegang, sondern auch über Ihr Beziehungsnetz.

  • Sind Sie ein umgänglicher Mensch?
  • Haben Sie bei jeder beruflichen Erfah­rung gute Kontakte geknüpft?
  • Sind Ihre Freunde beruflich erfolgreich?
  • Haben Ihre Vorgesetzten und Kollegen eine gute Meinung von Ihnen?

All diese Fragen können mit Ihrem Profil beantwortet werden. Schlimmer noch: Der Personalverantwortliche kann Ant­worten auf diese Fragen ausdrücklich in Ihrem Profil suchen. „Bekannte“ Personen (damit meine ich nicht Stars, sondern Personen, die der Personalverantwortliche kennt) unter seinen Kontakten zu haben, kann das Vertrauen zwischen dem HR-Verantwortlichen und dem Bewerber stärken. Einige wichtige Beziehungen, zum Beispiel in der Familie, können Ihnen sogar nützlich sein.

Gleichzeitig sollte man Netzwerken keinen zu hohen Stellenwert beimessen oder um jeden Preis versuchen, Verbindungen mit wichtigen, aber nahezu unbekannten
Personen herzustellen. Man erhält nicht selten eine „Freundschaftsanfrage“ von Fremden. Personalverantwortliche fallen
darauf nicht herein. Ein Netzwerk istkeine einfache Online-Kontaktliste, sondern be­steht aus Menschen, denen man auch im wahren Leben begegnet ist und die berufliche Beziehungen und Referenzen verkörpern. Personalverantwortliche können auch abgeschreckt werden, wenn man mit äusserst wichtigen Menschen in Kontakt steht. Der Aufbau des Beziehungsnetzes beginnt im realen Leben, Menschen gegenüber, die Sie aufgrund einer geleisteten Arbeit oder einer beruflichen Beziehung empfehlen können. Die virtuelle Verbindung gewinnt an Glaubwürdigkeit, wenn sie auf einer echten professionellen Beziehung basiert und wenn die kontaktierte Person etwas über

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