Wie meistern Sie erfolgreich ein Assessment-Verfahren?
Artikel erschienen im Career Starter, 17. Ausgabe 2013.

Wie meistern Sie erfolgreich ein Assessment-Verfahren?

Von Stephan Beyeler, COO, Mercuri Urval Switzerland

Drei Viertel aller Angestellten werden aufgrund ihres Lebenslaufs eingestellt, während Entlassungen in fast 80% der Fälle auf persönliche oder Verhaltensgründe zurückzuführen sind.

Das hat eine europaweite Studie von Mercuri Urval zu 5’000 Entlassungen in allen Arten von Unternehmen ergeben. Die Zahlen sprechen für sich und zeigen, dass noch ein weiter Weg vor uns liegt, bis sich diese Tendenz ins Gegenteil wendet.

Mercuri Urval wurde 1967 von Haken Ericsson, einem promovierten Psychologen, in Schweden gegründet. Mit seiner Spezialisierung auf Management Consulting für den Personalbereich hat sich das Unternehmen im Laufe der Zeit zu einem international tätigen Business Partner in der Gewinnung und Auswahl von Führungskräften entwickelt. 2013 feiert Mercuri Urval 30 jähriges Bestehen in der Schweiz: Von Zürich aus expandierte das Unterneh­men nach Nyon, Basel, Bern und Luzern und beschäftigt in den fünf Niederlassungen rund siebzig Mitarbeiter.

Trotz des starken Wachstums ist Mercuri Urval der Ursprungsidee seines Gründers treu geblieben: Es gilt, die Mitarbeiter und die Bedürfnisse des Unternehmens mit-einander in Einklang zu bringen. Haken Ericsson hat schon früh begriffen, wie wichtig die Persönlichkeit für eine erfolg-reiche Tätigkeit von Mitarbeitern in einem Unternehmen ist. Darum entwickelte er eine Bewertungsmethode, anhand derer sich das Profil von Bewerbern für einen Führungsposten leichter einschätzen und sich ihre Erfolgschancen somit besser vorhersagen lassen.

Die Personalgewinnung hat in den letzten 40 Jahren, vor allem mit dem Aufkommen des Internets, einen grundlegenden Wandel durchlaufen. Dank E-Mails sind administrative Abläufe einfacher und vor allem schneller geworden. Kehrseite der Medaille ist, dass sich auf jede ausgeschriebene Stellenanzeige ein Heer von Kandidaten bewirbt, was eine immense Auswahlarbeit mit sich bringt. Doch so sehr sich die Kommunikationstechnik weiterentwickelt hat – daran, dass die Bewerber ihre eigene Persönlichkeit mitbringen, hat sich nichts geändert. Zudem wird den Unternehmen zunehmend bewusst, dass die sozialen Kompetenzen ihrer Führungskräfte immer wichtiger werden. Tätigkeiten in Produktion und Verwaltung sind zunehmend durch technische Fortschritte oder Maschinen ersetzt worden, doch vor diesem Hintergrund gewinnen menschliche Emotionen und die Fähigkeit der Mitarbeiter, Ent­scheidungen zu treffen, umso stärker an Bedeutung.

In vielen Einstellungsverfahren, unter anderem beim Eintritt von Absolventen ins Berufsleben, ist das Assessment-Verfahren heutzutage unumgänglich. Für manch einen Bewerber bedeutet das Stress, weil er die Hintergründe nicht immer versteht und Sinn und Zweck der Verfahren oft nicht richtig erklärt werden.

Darüber hinaus wird die Auswertung der Tests im besten Fall einem Consultant überlassen, der die Resultate zwangsläufig auf seine eigene Weise interpretiert. Allzu oft aber werden Ergebnisse und Profile gar vom Computer ausgewertet, d. h. eine Software „spuckt“ einen Bericht aus – mit allen Risiken, die eine solche Automatisierung birgt. Zu verstehen, wie der Mensch funktioniert, ist nämlich alles andere als eine exakte Wissenschaft.

Um dem Assessment den Mythos zu rauben, der sich rund um diese Auswahlmethode rankt, muss man verstehen, wie ein solches Verfahren aufgebaut ist.

Standardbestandteil ist in der Regel ein Persönlichkeitsfragebogen, mit dem die wesentlichen Eigenschaften jedes Teil­nehmers offengelegt werden. Im Anschluss folgen je nach Art des Assessments kognitive Tests, mit denen die analytischen und konzeptuellen Fähigkeiten der Kandidaten gemessen werden sollen, und zu guter Letzt, ergänzende Auskünfte, die dazu dienen, die Interessenschwerpunkte der Bewerber besser zu erfassen und ihre Karrieremotivation zu ermitteln. Ein voll­ständiges Verfahren, wie in der nachstehenden Darstellung illustriert, sollte also all diese Aspekte abdecken.

Um seine Erfolgschancen bei einem Assessment-Verfahren zu maximieren, helfen vielleicht einige praktische Ratschläge.

Zunächst einmal sollte man zum Zeit­punkt des Verfahrens unbedingt erholt und nicht von anderen Gedanken abgelenkt sein. Dadurch können die Ergebnisse der Tests erheblich beeinflusst werden.

Bei den persönlichkeitsbezogenen Tests mag sich so mancher Bewerber dazu verleitet sehen, seine Antworten danach auszurichten, was seiner Meinung nach in dem angestrebten Posten von ihm erwartet wird. Die Ergebnisse in eine be­stimmte Richtung lenken zu wollen, kann sich als gefährlich erweisen. Erstens kommt ein erfahrener Personalberater etwaigen Widersprüchen oder Inkohärenzen sofort auf die Spur, und zweitens ist es am wichtigsten, sich selbst treu zu bleiben. Der Versuch, sein Profil zu verzerren, kann sich schnell gegen den Bewerber wenden und dazu führen, dass man eine Stelle bekommt, für die man von Natur aus nicht das geeignete Profil hat. Unstimmigkeiten zwischen Persönlichkeit und Anforderungen machen sich rasch in einer stetig sinkenden Leistungsfähigkeit bemerkbar. Und am Ende steht, wie in den vielen in der eingangs zitierten Studie untersuchten Fällen, eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

Entscheidend ist also, zu beweisen, dass man sich selbst kennt und vor allem so akzeptiert, wie man ist – mit seinen Stärken und Limiten. Die beständigsten Leistungsträger in einem Unternehmen sind keine „perfekten“ Menschen, sondern die Mit­arbeiter, die wissen, wo sie Verbesserungspotenzial haben und an sich arbeiten.

Bewerber, die sich selbst treu bleiben, ehrliche Antworten geben und mit einer positiven Einstellung an ein Assessment-Verfahren herangehen, handeln im ureigenen Interesse und bekommen ausserdem eine verlässliche Bestätigung dafür, dass ihre Persönlichkeit mit den Erwartungen des Unternehmens im Einklang steht.

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