Schritt für Schritt zur ersten Stelle: Praktika und Graduate Programme
Artikel erschienen im Career Starter, 14. Ausgabe 2010.

Schritt für Schritt zur ersten Stelle: Praktika und Graduate Programme

Von Manuela Forno, Crossroads Professional Guidance

Manchmal ist es ganz schön schwierig, eine erste „richtige“ Stelle zu finden: Oft verlangen Arbeitgeber mindestens zwei Jahre Berufserfahrung. Innerlich fragen Sie sich, wer Ihnen wohl die Chance geben wird, diese zwei ersten Jahre wertvoller Erfahrung zu sammeln ... Bleibt Ihre Stellensuche auch nach einigen Monaten erfolglos, sollten Sie einige Alternativen in Betracht ziehen: Ein Praktikum, ein Traineeprogramm – auch „Graduate Program“ genannt – oder, als Notlösung, eine Temporärstelle.

Das Praktikum

Wenig Berufserfahrung bedeutet noch lange nicht, dass Sie sich mit allem zufrieden geben müssen, was man Ihnen anbietet. Ent­scheidend ist einmal mehr, dass Sie festlegen, was zum jetzigen Zeitpunkt für Sie wichtig ist. Dabei sollten Sie sich über Ihre Motivation im Klaren sein. Zwingend gilt: Ein Praktikum muss Ihre Chancen für die von Ihnen ange­strebte Stelle und Branche erhöhen. Deshalb ist es wesentlich, dass Sie klar festlegen, was Sie wollen – insbesondere durch eine persönliche Reflexion oder eine Standortbestimmung – und zwar bevor Sie anfangen zu suchen.

Stellen Sie sich folgende wichtige Fragen:

  • In welcher Art von Unternehmen möchte ich arbeiten (grosses, kleines, internationales Unternehmen, NGO, KMU...)?
  • Was soll mir diese Erfahrung bringen? Was möchte ich dabei lernen?
  • Wie lange möchte ich dort arbeiten?
  • Mit was möchte ich mich idealerweise bei der Arbeit be­schäftigen?
  • Kann ich es mir erlauben, für dieses Praktikum nicht bezahlt zu werden? Wäre das für mich in Ordnung?

Diese Fragen werden Ihnen helfen, eine erste Auswahl zu treffen und, wichtiger noch, Ihre Motivation zu bekräftigen. Sie verhindern damit auch, auf ein „Pseudo-Praktikum“ hereinzufallen – eine Stelle, die zwar als Praktikum bezeich­net wird, in Wirklichkeit aber eine Temporärstelle ist, die Ihren Vorstellungen wenig oder gar nicht entspricht. Es kommt vor, dass Unternehmen Studierende suchen, um relativ einfache Aufgaben zu übernehmen, weil diese keine lange Ausbildung benötigen und kostengünstiger sind. Seien Sie sich dessen bewusst und lassen Sie sich nicht hinters Licht führen.

Es geht zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr allein darum, sich mit der Berufswelt vertraut zu machen, sondern konkret zur Umsetzung eines Projektes beizutragen, indem Sie Ihre akademi­schen Kenntnisse anwenden. Ziel eines solchen Praktikums ist der Erwerb von Anwendungskompetenzen, die Sie später bei einem anderen Arbeitgeber positiv einbringen können. Wenn Sie sich für ein Praktikum nach dem Studium entscheiden, ist es demnach äusserst wichtig, sicherzustellen, dass dieses einen echten Mehr­wert für Ihren Berufseinstieg darstellt. Stürzen Sie sich nicht auf jedes beliebige Angebot, unter dem Vorwand, dass Sie nichts anderes finden: Damit laufen Sie Gefahr, Ihrer beruf­lichen Laufbahn zu schaden. Folgende Punkte sollten Sie deshalb unbedingt mit dem Unternehmen klären:

  • Besteht eine klar strukturierte Beschreibung der Aufgaben für dieses Praktikum?
  • Ermöglicht das Praktikum eine Verbindung mit anderen Tätig­keiten?
  • Was für Verantwortlichkeiten haben Sie und wo liegt Ihr Tätigkeitsfeld?
  • Gibt es die Möglichkeit einer Anstellung nach Beendigung des Praktikums?
  • Welcher Platz kommt Ihnen im bestehenden Team zu?
  • Ist das Praktikum gut betreut? Erhalten Sie eine strukturierte Ausbildung? Gibt es ein Ausbildungsprogramm?

Für die Suche nach einem Praktikum bieten sich Ihnen ver­schiedene Möglichkeiten:

  • Die Laufbahnberatungsstelle Ihrer Universität oder Hoch­schule;
  • Unsere Website www.success-and-career.ch, unter der Rubrik „Stellenangebote“;
  • Die offiziellen europäischen Universitätsprogramme wie Swiss Occidental Leonardo www.s-o-l.ch (dabei ist der administrative Aufwand ein wenig höher als bei den zwei oben genannten Optionen);
  • Die Websites der multinationalen Unternehmen in Ihrer Region.

Ein Praktikum sollte mindestens 6 Monate dauern, damit es sich lohnt: Ein zu kurzes Praktikum (1 oder 2 Monate) gibt Ihnen nicht genügend Zeit, um bleibendes Wissen zu erwerben. Grosse Unterschiede gibt es bei der Bezah­lung von Praktika: Sie können von 0 CHF (insbesondere bei NGOs) bis zu 2’000.- CHF oder mehr (vor allem bei gewissen multinationalen Unternehmen) verdienen, abhängig von Ihrer Erfahrung und Ihrer Funktion. Ein Praktikum muss auf jeden Fall durch einen vorschriftsmässigen, befristeten Vertrag geregelt werden.

Das Traineeprogramm (Graduate Program)

Wenn Sie sich über Ihre beruflichen Vorstellungen nicht ganz im Klaren sind oder sich eher zum Generalisten berufen fühlen, dann ist ein Traineeprogramm die ideale Lösung für Sie. Einzige Bedingung: Ihre Bereitschaft, in einem internationalen oder multi­nationalen Unternehmen zu arbeiten, denn solche Programme werden meist von Grossunternehmen angeboten, mit zahlreichen verschiedenen Abteilungen und Mitarbeitern, die sich um die Ausbildung der Absolventen kümmern.
In diesem Fall sollten Sie sich bei Ihrer Motivation vor allem auf die Art des Unternehmens konzentrieren, in dem Sie arbeiten möchten, im Gegensatz zum Praktikum, bei dem Sie sich in erster Linie an der von Ihnen gewünschten Funktion ausrichten.

Stellen Sie sich folgende Fragen:

  • Welche Art von multinationalem Unternehmen interessiert mich?
  • Kann ich mir vorstellen, für diese Art von Industrie oder für diesen Servicesektor zu arbeiten? Macht das für mich Sinn?
  • Kann ich mich mit diesem Unternehmen identifizieren?

Erstellen Sie eine Liste der multinationalen Unternehmen in Ihrer Region und besuchen Sie deren Website: Die meisten von ihnen verfügen über eine Rubrik für Absolventen, oft unter der Bezeichnung „Graduate Program“. Selbst wenn Sie Ihr Studium bereits abgeschlossen haben, vergessen Sie nicht, regelmässig an von den Universitäten und Hoch­schulen organisierten Rekrutierungsveranstaltungen teilzu­nehmen. Dabei haben Sie nämlich die Gelegenheit, direkt mit HR-Verant­wortlichen über diese Programme zu diskutieren.

Der grosse Vorteil eines „Graduate Program“ besteht in seinem Aufbau: Meistens erhalten Sie sowohl eine allgemeine wie auch eine konkrete Vorstellung davon, wie das Unternehmen und seine verschiedenen Abteilungen funktionieren. Dabei haben Sie die Chance, die Unternehmenswelt hautnah kennenzulernen und ein umfassendes Verständnis der täglichen Arbeitsabläufe zu erlangen. Gleichzeitig tragen Sie konkret zur täglichen Arbeit bei. Das Graduate Programm stellt ein ausgezeichnetes Sprungbrett dar, um später in diejenige Abteilung einzutreten, die Ihnen am meisten zugesagt hat. Obwohl Sie direkt von der Universität kommen, werden Sie zu 100 Prozent als Mitarbeiter betrachtet und haben die Chance, sich genau wie jeder andere Mitarbeiter am Unternehmensleben zu beteiligen. Dies umso mehr, weil die Traineeprogramme im Gegensatz zu einem Praktikum länger dauern (1-3 Jahre). Die Gehaltskonditionen sind ebenfalls besser als bei Praktikanten. Oft werden die Absolventen nach Abschluss des Programms direkt eingestellt – natürlich nur, wenn sie ihre Arbeit zufriedenstellend ausgeführt haben.

Traineeprogramme sind auf dem Arbeitsmarkt äusserst gefragt und die Konkurrenz unter den Bewerbern ist gross. Deshalb muss es Ihnen gelingen, sich bei den Vorstellungsgesprächen von den anderen Bewerbern abzuheben und Ihre Motivation für das betreffende Unternehmen unter Beweis zu stellen. Bereiten Sie sich sorgfältig vor und informieren Sie sich insbesondere über das Unternehmen, bei dem Sie sich bewerben.

Die Temporärstelle

Bei dieser Option handelt es sich um eine Notlösung. Aber auch sie kann nützlich sein, wenn Sie noch über keine Berufs­erfahrung verfügen. Achten Sie darauf, dass Sie nicht unter dem Vorwand, unbedingt in die Berufswelt einsteigen zu wollen, jedes beliebige Angebot annehmen. Das Hauptziel einer Temporärstelle ist, sich mit der Unter­nehmenswelt, ihrem Arbeitsrhythmus und den Arbeitsmethoden vertraut zu machen. Dabei sollten Sie aber auch lernen, konkret mit anderen Menschen und mit verschiedenen Hierarchiestufen umzugehen und natürlich im Team zu arbeiten. Idealerweise nähern Sie sich dadurch zudem Schritt für Schritt Ihrem wirklichen Berufsziel und können anschliessend Ihren Lebenslauf aufwerten, um so später Ihre erste richtige Stelle zu erhalten.

Schlussfolgerung

Jede einzelne Berufserfahrung zählt und kann entscheidend sein. Dies gilt insbesondere, wenn Ihr Lebenslauf noch relativ spärlich ausfällt. Wenn Sie Ihre Entscheidungen überlegt getroffen haben und die Erfahrungen Ihren wahren Beweggründen entsprechen, wird Ihr zukünftiger Arbeitgeber deren Wert zu erkennen wissen. Wählen Sie also nicht zufällig aus und nehmen Sie sich Zeit zum Nachdenken, bevor Sie Ihre ersten Schritte in die Berufswelt wagen. Zögern Sie bei der Suche nach einem Praktikum nicht, möglichst viele der oben genannten (oder ähnliche) Fragen zu stellen. Ihr Gesprächspartner wird dies sehr zu schätzen wissen – für ihn sind Sie deswegen nicht eine schwierige Person, sondern jemand, dem eine sorgfältige Planung seiner beruflichen Laufbahn am Herzen liegt.

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