Equal-salary: Lohngleichheit von Frau und Mann
Artikel erschienen im Career Starter, 15. Ausgabe 2011.

Equal-salary: Lohngleichheit von Frau und Mann

Von Véronique Goy Veenhuys, Gründerin und CEO von equal-salary, www.equalsalary.org

Werden Frauen und Männer bezüglich der Löhne wirklich gleich behandelt? Die Unternehmen behaupten dies zwar, doch die Zahlen zeigen ein anderes Bild: Laut neuesten Statistiken verdienen Frauen in der Privatwirtschaft 24 % weniger als ihre männlichen Kollegen.1 In der Bundesverwaltung liegt die Differenz bei rund 18 %. Die Situation verbessert sich zwar, aber nur langsam: Zwischen 1998 und 2006 verringerte sich der Unterschied bloss um 0,5 %!1 Um die Unternehmen anzuspornen, gleiche Löhne zu zahlen, hat die Stiftung equal-salary ein spezielles Label ins Leben gerufen.

Ungleichheit bedeutet nicht zwingend Diskriminierung

Von Diskriminierung sprechen darf man dann, wenn eine Frau bei gleicher Qualifikation und für gleiche Arbeit weniger verdient als ein männlicher Kollege. Man muss allerdings bedenken, dass sich in zwei unterschiedlichen Löhnen nicht unbedingt eine Ungleichheit offenbart. Die Höhe des Lohnes hängt sowohl von der Ausbildung, der Berufserfahrung und dem Dienstalter als auch von der Arbeitsleistung der Mitarbeitenden ab. Massgeblich für den Lohn sind ausserdem die Hierarchiestufe im Unternehmen sowie das Arbeitspensum einer angestellten Person. Hinzu kommen noch unternehmensspezifische Faktoren: Branche, Firmen­grösse, Standort. Somit sind 60 % der durchschnittlichen Lohndifferenzen auf erklärbare Faktoren zurückzuführen. Bei den restlichen  40 % handelt es sich um echte, nicht erklärbare Diskriminierung.

Die Pionierrolle der Schweiz

Dank des equal-salary Labels nimmt die Schweiz auf diesem Gebiet eine Pionierrolle ein. Ein vergleichbares Zertifizierungsverfahren gibt es in keinem anderen Land. Mehrere Schweizer Un­ternehmen wurden bereits zertifiziert. Die Stiftung equal-salary beabsichtigt, das Label weiter auszubauen und es auch im Ausland anzubieten.

Absolventinnen stark betroffen

Die Anfangslöhne sind zwar meistens gleich hoch, doch mit der Zeit entstehen dann gewisse Unterschiede. Auch junge Frauen mit Hochschulausbildung sind gegen dieses Phänomen nicht immun. Ganz im Gegenteil: „Sie müssen im Dienstleistungsbereich auf der oberen Führungsebene die höchste Lohndifferenz (31 %) hin­nehmen.“1 Wer sich dieser Situation bewusst ist, hat bereits den ersten Schritt getan, um nicht in die Ungleichheitsfalle zu gera­ten. Und wer sich über den Lohn informiert, den er erwarten kann, hat auch den zweiten Schritt getan. Zu diesem Zweck gibt es verschiedene Lohnrechner.2

Gut fürs Image

Mit der Verleihung des Labels werden Unternehmen ausgezeichnet, die die Lohngleichheit zwischen Frau und Mann respektieren. Dadurch können sie ihr Image sowohl in der Öffentlich­keit als auch bei den Mitarbeitenden verbessern. Vor allem aber erhalten sie dadurch die Gelegenheit, die besten weiblichen Talente anzuziehen. Ein ausserordentlicher Pluspunkt!

Das Verfahren in Kürze

Die Zertifizierung beginnt mit einer statistischen Evaluation der Lohndaten unter Berücksichtigung der Lohnpolitik des antragstellenden Unternehmens. Die zweite Phase besteht aus einem Audit, bei dem überprüft wird, in wie weit sich das Unternehmen für eine gerechte Lohnpolitik einsetzt und zu deren Umsetzung in den HR-Prozessen verpflichtet. In dieser Phase wird eine Umfrage unter den Mitarbeitenden durchgeführt, um herauszu­finden, wie sie die Lohnpolitik der Firma wahrnehmen. Sind alle Anforderungen erfüllt, erhält das Unternehmen das Label equal-salary für drei Jahre. Als weltweiter Marktführer für Zertifizierungen kümmert sich SGS um das Verfahrens- und das Auditmanagement. Das Label wird vom Bund finanziell unterstützt. Mit der Vergabe der Finanzhilfen nach dem Gleichstellungsgesetz wurde das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann beauftragt.

Wagen Sie den Unterschied!

Bei den weiblichen Arbeitskräften zeichnet sich in den kommenden Jahrzehnten in ganz Europa eine Trendwende in der Wirtschaft ab. Die statistischen Prognosen gehen für die nächsten zwanzig Jahre von einer Abnahme der erwerbstätigen Bevölkerung aus. Die Beschäftigungsrate der Männer kann nicht mehr zunehmen, viele unter ihnen äussern sogar den Wunsch, ihr Arbeitspensum zu redu­zieren. Somit bilden die Frauen, die über gleich viele oder sogar noch mehrere Hochschulabschlüsse als ihre männlichen Kollegen verfügen, ein Reservoir an Arbeitskräften, auf das sich die europäische Wirtschaft stützen muss, um gegenüber den neuen grossen Wirtschaftsmächten wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Vorzeichen sind günstig, nun liegt es an Ihnen: Informieren Sie sich über den Lohn, den Sie erwarten dürfen. Wenn Sie bereits eine Stelle haben, bitten Sie um eine Lohnerhöhung, indem Sie objektiv und gestützt auf Ihre Resultate argumentieren. Und: Bewerben Sie sich bei zertifizierten Unternehmen. Seien Sie proaktiv! Werden Sie Botschafterinnen von equal-salary!

Fussnote:
1 Broschüre: Auf dem Weg zur Lohngleichheit: Tatsachen und Trends. Informationen für Arbeitgebende und Arbeitnehmende. EDI, EBG, BFS, Bern, Mai 2009.
2 Lohnrechner des SGB: www.lohngleichheit.ch;
Salarium: Lohnrechner des Bundes: www.lohnrechner.bfs.admin.ch

Mehr Informationen:
www.equalsalary.org

share